Schlüsselfaktor für erfolgreiche therapeutische Impfung gegen chronische Hepatitis B erkannt
Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) sind nach wie vor ein großes globales Gesundheitsproblem – nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit rund 300 Millionen HBV-Träger. Mit den derzeitig verfügbaren Behandlungsmethoden gelingt es nur sehr selten, die Infektion zu heilen. Die therapeutische Impfung stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Heilung der HBV-Infektion dar. Doch was sind die molekularen Schlüsselfaktoren, die für ihre Wirksamkeit verantwortlich sind? Ein Forscherteam um Ulrike Protzer und Anna Kosinska vom Institut für Virologie bei Helmholtz Munich, der Technischen Universität München (TUM) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat herausgefunden, dass der Erfolg der therapeutischen Hepatitis-B-Impfung von einem effizienten Priming der HBV-spezifischen CD4-T-Zellen abhängt. Die Ergebnisse wurden nun im Journal of Hepatology veröffentlicht.
Nach Angaben der WHO leiden mehr als 3% der Weltbevölkerung an einer chronischen Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV), welche die Hauptursache für Leberzirrhose und Leberkrebs ist. Die derzeitigen Behandlungen heilen die Infektion nur sehr selten aus. Therapeutische Impfstoffe (Impfstoffe, die das Immunsystem zur Heilung einer Krankheit anregen sollen) stellen einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung einer chronischen Hepatitis B dar, haben aber in bisherigen Studien nur begrenzte klinische Wirksamkeit gezeigt. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche Versuche unternommen, wirksame therapeutische Hepatitis-B-Impfstoffe zu entwickeln. Einige dieser Impfstoffkandidaten wurden in klinischen Studien getestet, aber keiner von ihnen hat bisher eine antivirale Wirkung bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis-B-Patienten gezeigt. Daher ist es wichtig, die wesentlichen Faktoren zu identifizieren, die ausschlaggebend für eine erfolgreiche therapeutische Impfung sind und diese strategisch in das Impfstoffdesign zu integrieren.
Effiziente CD4-T-Zellaktivierung entscheidet über den Erfolg der therapeutischen Impfung
Ein Forscherteam um Ulrike Protzer und Anna Kosinska untersucht derzeit mit TherVacB einen neuartigen, therapeutischen Hepatitis-B-Impfstoff, der einen heterologen Prime-Boost nutzt. Bei heterologen Prime-Boost-Impfstoffen werden dem Immunsystem dieselben Antigene in unterschiedlicher Form präsentiert. Bei TherVacB wird ein Protein-„Prime“ verwendet, um die Immunantwort zu initiieren. Bei der nachfolgenden Impfung – dem „Boost“ – werden diese Antigene durch einen viralen Vektor verabreicht. Der Vorteil der heterologen Prime-Boost-Impfung ist eine breitere, stärkere und länger anhaltende Immunität. Die Optimierung der Strategien für die initiale und die Verstärkungsimpfung (Prime- und Boost) erfordert jedoch ein detailliertes Verständnis dafür, wie welche Impfstoffkomponenten die verschiedenen Zellen des Immunsystems, wie T- oder B-Zellen, aktivieren.
In dieser Studie konnten die Erstautorin Jinpeng Su und ihre Kolleg:innen aufzeigen, dass der Erfolg einer therapeutischen Hepatitis-B-Impfung von einem effizienten Priming der HBV-spezifischen CD4-T-Zellen abhängt. CD4-T-Zellen sind eine bestimmte Gruppe von Lymphozyten, die das CD4-Molekül auf ihrer Oberfläche tragen und die Immunabwehr gegen fremde Krankheitserreger koordinieren. Die Forscher:innen wiesen nach, dass die Entfernung von CD4-T-Zellen in präklinischen Mausmodellen zu einem vollständigen Verlust der durch TherVacB induzierten antiviralen Wirksamkeit führte. Hingegen ermöglichte eine optimale Proteinimpfstoff-Formulierung während der initialen Impfung die gewünschte Aktivierung der CD4-T-Zellen und legte damit den Grundstein für eine Booster-Impfung zur Kontrolle der HBV-Infektion.
Die Studie entschlüsselt die Wirkung der einzelnen Impfstoffkomponenten und liefert den ersten direkten Nachweis dafür, dass eine effiziente Aktivierung von HBV-spezifischen CD4-T-Zellen für die Einleitung der Immunkontrolle von HBV unerlässlich ist. Sie bestimmt auch, welche Komponenten für eine erfolgreiche therapeutische Hepatitis-B-Impfung erforderlich sind, und gibt damit wichtige Einblicke in das rationale Design von therapeutischen Impfstoffen für die dringend benötigte klinische Anwendung.
Bedeutung für die Entwicklung von Impfstoffen
Die Arbeit bestätigt die Wirkung und erklärt die Wirkungsweise von TherVacB, das ab 2023 in einer klinischen Studie untersucht werden soll. Damit unterstützen die Forscher:innen maßgeblich die Vision, die HBV-spezifische Immuntoleranz zu überwinden und die antivirale B-Zell- und T-Zell-Antwort durch therapeutische Impfung wiederherzustellen, um die HBV-Infektion zu heilen.
Darüber hinaus bestätigt und erweitert diese Studie das Lehrbuchwissen in einem konkreten Fall und unterstreicht die Bedeutung der Prime-Impfung, um das Immunsystem in die gewünschte Richtung zu lenken. Sie dient somit der Entwicklung oder Verbesserung therapeutischer Impfstoffe gegen chronische Hepatitis B – und vielleicht auch gegen andere chronische oder bösartige Krankheiten – und trägt hoffentlich dazu bei, den Fortschritt zur Heilung der chronischen Hepatitis B zu beschleunigen. Ein Hoffnungsschimmer nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Millionen von Hepatitis-B-Patienten weltweit.
Über die Wissenschaftlerinnen
Prof. Dr. Ulrike Protzer, ist Direktorin des Instituts für Virologie bei Helmholtz Munich und an der Technischen Universität München (TUM), Koordinatorin des Forschungsbereichs "Hepatitis” am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und mehrerer nationaler und EU-weiter Forschungsnetzwerke.
Dr. Anna Kosinska, ist Postdoktorandin am Institut für Virologie bei Helmholtz Munich und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).