Epstein-Barr-Virus: DZIF und Helmholtz Munich entwickeln einen Impfstoff
Schon länger ist bekannt, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) bei verschiedenen Erkrankungen eine Rolle spielt. Eine aktuelle Studie aus den USA hat nun einen engen Zusammenhang zwischen dem EBV-Virus und der Multiplen Sklerose gezeigt. DZIF-Wissenschaftler am Forschungszentrum Helmholtz Munich entwickeln bereits einen Impfstoff, der 2023 in die klinische Prüfung gehen könnte.
Das Epstein-Barr-Virus ist weit verbreitet: Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung weltweit sind lebenslang damit infiziert. Die Infektion bleibt in den meisten Fällen ohne Folgen, doch kann das Virus auch schwere Krankheiten auslösen. So weiß man seit längerem, dass es die Ursache für weltweit etwa 200.000 Krebserkrankungen pro Jahr ist. Für Patientinnen und Patienten mit einer Immunschwäche stellt EBV ein lebensgefährliches Risiko dar, insbesondere nach einer Organtransplantation. Betroffen sind auch Jugendliche und junge Erwachsene, die aufgrund einer EBV-Infektion am Pfeifferschen Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose) erkranken. Sie können in der Folge an einem chronischen Erschöpfungssyndrom leiden oder an Multipler Sklerose oder einem Hodgkin-Lymphom erkranken.
Epstein-Barr-Virus und Multiple Sklerose
Dass das Virus in engem epidemiologischen Zusammenhang mit Multipler Sklerose steht, ist lange klar. Doch ist es auch die Ursache, wie es die aktuell im Fachjournal Science veröffentlichte US-Studie nahelegt? Prof. Wolfgang Hammerschmidt von Helmholtz Munich und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) schränkt das ein: „Die Studie macht es sehr wahrscheinlich, dass eine EBV-Infektion Voraussetzung für Multiple Sklerose ist; das heißt aber noch nicht, dass es die Ursache ist.“
In einem Punkt aber ist Hammerschmidt sich sicher: „Ein Impfstoff gegen EBV wäre von großer Bedeutung im Hinblick auf verschiedene Krankheiten – Multiple Sklerose ebenso wie das Pfeiffersche Drüsenfieber." Der Wissenschaftler forscht seit vielen Jahren an EBV, unter anderem auch im Verbund im DZIF. Die Arbeit hat sich gelohnt: „Wir haben jetzt einen Impfstoffkandidaten, für den der qualitätsgesicherte Herstellungsprozess aktuell optimiert wird.“ Das ist die Vorstufe zu weiteren Arbeiten, die im Wesentlichen dazu dienen, den komplett entwickelten und sicher hergestellten Impfstoff in klinischen Prüfungen zu testen. „Wir denken, dass wir diesen Punkt 2023 erreichen werden“, erklärt Hammerschmidt.
Virus-ähnliche Partikel täuschen eine Infektion vor
Die Entwicklung des Impfstoffkandidaten begann bei Helmholtz Munich vor etwa 20 Jahren mit der Konstruktion Virus-ähnlicher Partikel (VLPs) und wurde parallel dort und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg fortgeführt. Diese VLPs bestehen aus Virusproteinen und einer Membran und haben die Struktur perfekter Viruspartikel, enthalten aber kein Erbgut des Virus. Die authentische Komposition der VLPs signalisiert dem Immunsystem aber eine EBV-Infektion, und die VLPs lösen so eine Abwehrreaktion, eine hochspezifische Immunantwort aus. Sie sind ein sicherer und vielversprechender Impfstoffkandidat, da sie humorale und zelluläre Immunantworten effizient induzieren können. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass unser Impfstoff die Entstehung des Pfeifferschen Drüsenfiebers und des daran häufig gekoppelten chronischen Erschöpfungssyndroms sehr effizient verhindern wird“, erklärt Hammerschmidt. Und ergänzt: „Da das Pfeiffersche Drüsenfieber ein bekannter Risikofaktor für Multiple Sklerose ist, wird der Impfstoff auch die Häufigkeit dieser chronischen neurodegenerativen Autoimmunkrankheit reduzieren. Darüber hinaus wird er Immunsupprimierte vor dem Entstehen eines typischen B-Zell-Lymphoms schützen.“
Hintergrund: Epstein-Barr-Virus
Mehr als 90 Prozent der Menschen tragen dieses Herpesvirus lebenslang in sich. Die Infektion bleibt meist ohne Folgen. Doch die Ruhe ist trügerisch, denn EBV kann verschiedene Krankheiten auslösen. Ein Beispiel ist das Pfeiffersche Drüsenfieber sowie einige Formen von Krebs. Das Pfeiffersche Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose), das immer häufiger auftritt, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, kann Komplikationen haben und erhöht das Risiko für die Entwicklung einer Multiplen Sklerose oder eines Hodgkin-Lymphoms. Ausreichend für eine Ansteckung ist meist ein Kuss mit Speichelübertragung, was der Krankheit den Spitznamen „Kusskrankheit“ einbrachte. Am DZIF erforscht Prof. Uta Behrends von der TU München die langfristigen Auswirkungen des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Sie ist ebenfalls beteiligt an der Entwicklung der Vakzine.
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit circa 500 Wissenschaftler und Ärzte aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen. Weitere Informationen: www.dzif.de.
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt mehr als 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-muenchen.de
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