Fachliche Grenzen überwinden – DZG fördern gemeinsames Projekt zur Gen- und Zelltherapie
So würde die ideale Medizin aussehen: Ärzte und Ärztinnen könnten im Körper molekulare Prozesse in erkrankten Zellen gezielt verändern und Patientinnen und Patienten damit ursächlich heilen. Dieses Ziel verfolgen die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) in dem Projekt „Cell type specific targeting for future in vivo delivery in cell and gene therapy“. Die erstmals vergebenen Fördermittel stammen aus dem DZG Innovation Fund.
Obwohl molekulargenetische Vorgänge immer besser verstanden sind, bleibt es schwierig, gezielt einzelne Zellen oder Gewebe im Körper zu verändern. „Die Forschungsarbeiten dazu sind in den Disziplinen zersplittert“, sagt der Projektkoordinator Prof. Tobias Feuchtinger vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). „Die einen konzentrieren sich auf Umbauprozesse nach einem Herzinfarkt, Onkologen schauen auf die Vorgänge rund um Tumore. Mit dem DZG-übergreifenden Projekt wollen wir diese fachlichen Grenzen überwinden.“ Denn alle Zentren stünden vor der Herausforderung, molekulare Heilungsmechanismen in vivo an das Gewebe und den Ort der Krankheit zu bringen. Und wenn ein Forscherteam zum Beispiel eine Strategie entwickele, Nanopartikel gezielt in Leberzellen einzubringen, ließe sich das Prinzip auch auf andere Gewebe übertragen, so der Onkologe.
Zielgenauigkeit verbessern
Heute wird kaum noch zwischen Gen- und Zelltherapie unterschieden, denn die aktuellen Zelltherapien gehen fast immer mit genetischen Veränderungen einher. Beide Ansätze sind aber noch zu unspezifisch. So modifizieren die bei einer Gentherapie als Vehikel verwendeten Viren nicht nur die Zielgewebe, sondern auch viele andere Zellen. Das führt nicht nur zu einem Verlust an Wirksamkeit und höheren Kosten, sondern kann auch mit dem Risiko unerwünschter Nebenwirkungen verbunden sein. Mittlerweile sind die Viren-Vektoren sicherer, doch ein Restrisiko bleibt, weil die eingeführten Gene nicht der natürlichen Genregulation unterliegen. Diese steuert, ob ein Gen aktiv ist oder nicht. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die eingeschleusten Gene bei späteren Zellteilungen nicht verloren gehen.
Bei einer Zelltherapie werden Zellen aus dem Körper entnommen, im Labor verändert und dem Patienten dann wieder infundiert bzw. transplantiert. Auch hier stehen die Forscher vor der komplizierten Aufgabe, die therapeutischen Zellen an die richtige Stelle im Körper zu bringen. Außerdem müssen sie beachten, dass die Zellen die Zeit außerhalb des Körpers wie auch den Transfer überleben und vor Ort funktionieren. Wenn die Zellen nicht vom Empfänger stammen, können sie vom Immunsystem abgestoßen werden. Immunsuppressive Medikamente wirken dem entgegen, bringen aber auch Nachteile mit sich. Alles in allem wäre es sicherer, wenn man die gezielte Veränderung direkt im Körper vornehmen könnte. Geeignete Werkzeuge, die im Labor sehr gut funktionieren, gibt es bereits. Etwa die Genschere CRISPR/Cas9, die nicht nur Gene ausschneiden, sondern auch gezielt ersetzen kann.
„Hit and run“-Prozess erfordert neue Vektoren
„Gerade die neuen Möglichkeiten der Genomeditierung mit der Genschere CRISPR/Cas machen es dringend notwendig, neuartige Gentransfer-Vektoren zu entwickeln“, sagt DZIF-Projektkoordinator Prof. Boris Fehse vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Bei der „klassischen“ Gentherapie wird ein therapeutisches Gen als Ersatz für ein fehlendes oder defektes Gen in die Zielzellen eingebracht. Dort soll es möglichst lebenslang aktiv sein, um den therapeutischen Effekt aufrechtzuerhalten. Bei der Genschere CRISPR/Cas ist das anders: Sie muss nur für sehr kurze Zeit in der Zelle aktiv sein, um ein defektes Gen zu korrigieren oder ein krankmachendes auszuschalten. „CRISPR/Cas korrigiert den Fehler in einem hit-and-run-Prozess, dann ist das Gen wieder funktionell“, so Fehse. „Eine längerfristige Expression der Genschere wäre kontraproduktiv, da das Risiko falscher Schnitte deutlich steigen würde. Außerdem wird es wahrscheinlicher, dass das Immunsystem aktiviert wird, da CRISPR/Cas aus Bakterien stammt. Wir benötigen also neue „hit-and-run“ Vektoren.“
Regelmäßiger Austausch
Das DZG-Projekt gliedert sich in fünf Arbeitspakete. Dabei geht es zum Beispiel um Vektoroptimierung, um veränderte Gene in den Körper einzuschleusen, oder darum, diese Vektoren in Organmodellen zu überprüfen. Die Projekt- und Arbeitsgruppen stimmen sich regelmäßig ab, um Know-how und Protokolle auszutauschen.
Beteiligt sind:
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF): Prof. Tobias Feuchtinger (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Boris Fehse (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
- Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL): Prof. Nico Lachmann (Medizinische Hochschule Hannover), Prof. Soni Savai Pullamsetti (Justus-Liebig-Universität Gießen)
- Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK): Prof. Alessandra Moretti (Technische Universität München), Prof. Johannes Backs (Universitätsklinikum Heidelberg), Prof. Oliver J. Müller (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein)
- Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD): Prof. Heiko Lickert, Dr. Gerhard Przemeck (beide Helmholtz Zentrum München)
- Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK): Prof. Annette Künkele (Charité – Universitätsmedizin Berlin), Prof. Angela Krackhardt (Technische Universität München)