Stammzellforschung ermöglicht Blick in frühe Hirnentwicklungsstörungen bei Zika-Virus-Infektion

Die Tigermücke Aedes aegypti kann Zika-Viren übertragen.

© cdc/James Gathany

Seit Herbst 2015 führt die Zika-Virus-Epidemie vor allem in Süd- und Mittelamerika zu einer auffälligen Zunahme von Geburten von Babys mit einem viel zu kleinen Kopf, der sogenannten „Mikrozephalie“. Der Zusammenhang zwischen der Zika-Infektion und der mit geistigen Behinderungen und anderen neurologischen Störungen einhergehenden Mikrozephalie wurde zwar allgemein anerkannt, ein wissenschaftlicher Beweis für die schädigende Wirkung von Zika auf die frühkindliche Hirnentwicklung fehlt jedoch bisher. In einem gemeinschaftlichen Forschungsprojekt haben nun Kölner Wissenschaftler einen neuen Mechanismus aufgedeckt, wie Zika-Virus zu den verursachten Missbildungen Neugeborener von Zika-Virus infizierten Müttern beiträgt.

Jay Gopalakrishnan, Olaf Utermöhlen und Martin Krönke vom Zentrum für Molekulare Medizin Köln, dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene sowie dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) haben menschliche Hautzellen zu neuronalen Stammzellen umprogrammiert und mit diesen ein 3D-Experimentalmodell etabliert, welches die frühe Hirnentwicklung abbildet und in dem die schädigenden Wirkungen von Zika genauestens untersucht werden können. Die Ergebnisse des gemeinsamen Projektes wurden nun im renommierten Wissenschaftsjournal „Cell Stem Cell“ publiziert.

Zika-Infektionen sind meist harmlos. Gefährlich werden sie, wenn Schwangere betroffen sind. Dann kann es zu Geburten von Kindern mit schweren Schädel-Hirn-Missbildungen kommen, der sogenannten „Mikrozephalie“. Weltweit suchen Forscher nach den Zusammenhängen, die hinter dieser Missbildung stecken. Besonders erschwert wurde diese Forschung durch ethische Probleme, die nahezu unüberwindlich scheinen – denn es geht um Mütter, die sich während der Schwangerschaft infizieren, und um ihre ungeborenen Kinder.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma ermöglicht eine Methode, die nun im ZMMK etabliert wurde: Menschliche Hautzellen von gesunden Spendern wurden mit Hilfe molekularbiologischer Methoden im Reagenzglas zu sogenannten „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (ipSZ) umprogrammiert. Diese ipSZ wurden wiederum unter geeigneten Kulturbedingungen zu „neuronalen Vorläuferzellen“ (nVZ) programmiert. Sie sind die Ausgangszellen für die gesamte weitere Entwicklung des Gehirns. Die Zusammenlagerung vieler neuronaler Vorläuferzellen unter definierten Kulturbedingungen führt zur Bildung dreidimensionaler, wenige Millimeter großer Hirnorganoide, die den frühen Verlauf der embryonalen Hirnentwicklung  widerspiegeln. Diese „3D- Hirnorganoide ermöglichen als Modellsystem im Reagenzglas Untersuchungen zur Auswirkung von Infektionen neurotroper Viren auf das humane embryonale Gehirnwachstum.

In diesem experimentellen System haben die Kölner Wissenschaftler beobachtet, dass die Infektion mit dem Zika-Virus zur frühzeitigen Ausreifung der nVZ zu reifen Nervenzellen führt. Obwohl diese verfrühte Ausreifung auf den ersten Blick harmlos erscheint, ist sie brisant für die weitere Entwicklung des Hirnes. Denn durch die verfrühte, massenhafte Ausreifung von nVZ fehlen diese wichtigen Vorläuferzellen für das Größenwachstum der sich entwickelnden Hirnorganoide. Offenbar verursacht die Infektion mit dem Zika-Virus Defekte an den Zentrosomen, kleinen Zellorganellen, die die schnelle und präzise Zellteilung ermöglichen und eine wichtige Rolle bei der Expansion der neuralen Vorläuferzellen spielen. Für die Übertragbarkeit der Beobachtungen auf die epidemische Zika-Mikrozephalie in Südamerika ist von besonderer Bedeutung, dass die Infektionsversuche erstmals mit einem Zika-Virus-Stamm durchgeführt wurden, der direkt aus einem betroffenen Fötus mit Mikrozephalie isoliert wurde. Hiermit ist ein überzeugender wissenschaftlicher Nachweis gelungen, wie Zika zur Mikrozephalie führt.

Die Forschungsarbeit wurde gefördert durch die Fritz-Thyssen-Stiftung und den SFB CRC 670.

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