Wie Daptomycin multiresistente Bakterien tötet
Das Antibiotikum Daptomycin ist oft die letzte Waffe gegen multiresistente Bakterien. Unklar war bislang, wie das Medikament wirkt. Eine neue Studie mit Beteiligung des DZIF bringt nun Licht ins Dunkel. Demnach hemmt Daptomycin die Zellwand-Synthese der Erreger durch einen Mechanismus, der bislang nicht bekannt war.
Daptomycin ist ein so genanntes Reserve- oder Notfall-Antibiotikum: Es gilt oft als letzte Rettung gegen multiresistente Bakterien wie zum Beispiel MRSA-Keime. Seit mehr als zehn Jahren ist die Substanz in Deutschland inzwischen zugelassen. Zu der Art und Weise, wie sie Bakterien tötet, gab es aber bislang verschiedene Hypothesen. „Es ist absolut ungewöhnlich“, betont Prof. Dr. Tanja Schneider vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Bonn sowie vom DZIF: „Bei allen anderen zugelassenen Antibiotika kennen wir den Wirkmechanismus; bei Daptomycin tappen wir dagegen selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung noch weitgehend im Dunkeln.“
In dieses Dunkel bringen die Wissenschaftler mit ihrer Studie nun etwas Licht. Demnach hemmt Daptomycin mit einem trickreichen Mechanismus die Zellwand-Synthese der gefährlichen Erreger. An der Arbeit waren neben den Universitäten Bonn und Amsterdam auch die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Newcastle und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) beteiligt.
Daptomycin stört die Membran
Daptomycin bringt den Aufbau der Zellmembran gründlich durcheinander. Das Antibiotikum ähnelt einer Kaulquappe mit einem dicken Kopf und einem kurzen Schwanz. Dieser Schwanz taucht in die Außenseite der Bakterienmembran ein. Dazu muss sich der Kopf Platz verschaffen und die Lipide der Membran etwas zur Seite schieben. „Das funktioniert augenscheinlich nur an bestimmten Stellen, an denen die Membran ausreichend fluide ist“, erklärt Schneider.
Daptomycin-Moleküle haben zudem unter bestimmten Bedingungen die Tendenz, sich aneinanderzulagern. Diese Aggregate benötigen besonders große flüssige Membranbereiche. Zu diesem Zweck ziehen sie – ähnlich wie ein Magnet – weitere leicht bewegliche Lipide an sich heran. Dadurch kommt es zu gravierenden Störungen der Membranstruktur. Proteine, die normalerweise an der Innenseite des Lipid-Häutchens befestigt sind, können sich lösen und ihre Funktion verlieren. „Darunter sind auch Enzyme, die den Aufbau der Bakterien-Zellwand katalysieren“, erklären Schneiders Mitarbeiter Dr. Anna Müller und Dr. Fabian Grein. „Ohne diese Schutzhülle gehen die Erreger zugrunde.“
Den genauen Wirkungsmechanismus eines Antibiotikums im Detail zu verstehen, ist enorm wichtig. „So können wir beispielsweise besser abschätzen, mit welchen anderen Antibiotika sich der Wirkstoff sinnvoll kombinieren lässt oder wie groß das Risiko einer Resistenzbildung ist“, betont Tanja Schneider.