Zwischen Klinik und Forschung

Christina Zielinski ist als Professorin für das DZIF an der TU München tätig. Ihr Fachgebiet: Die Immundiagnostik von Infektionen.

Christina Zielinski wollte immer Ärztin werden, doch dann hat die Forschung sie gepackt. Genau genommen, die T-Zellen des Menschen. Seit ihrer Doktorarbeit stehen diese wichtigen Abwehrspieler des Immunsystems bei Christina Zielinski im Mittelpunkt – während sie die Disziplinen der Dermatologie und der Allergologie durchlief und Fachärztin wurde. Seit etwa einem Jahr ist die Ärztin und Wissenschaftlerin als Professorin für das DZIF an der TU München tätig. Ihr Fachgebiet: Die Immundiagnostik von Infektionen.

„Bei meiner Forschung geht es darum zu verstehen, wie das menschliche Immunsystem effiziente Abwehrmechanismen gegen Infektionserreger einsetzt und dabei gleichzeitig körpereigene Zellen toleriert“, erklärt sie zu Beginn des Gesprächs. Bei einer Fehlfunktion dieser Mechanismen leide man an chronischen Infektionskrankheiten oder auch an autoaggressiven Entzündungen. Christina Zielinski spricht eher leise und zurückhaltend, wartet ab, was von ihrem Gegenüber kommt. Doch sobald sie sich warm geredet hat und auf ihre Arbeit zu sprechen kommt, ahnt man die ungeheure Energie, die in dieser zarten Person steckt. „Ich empfinde das Forschen als einen Luxus. Man kann sich von morgens bis abends ganz seinen Interessen hingeben und dies auch noch seinen Beruf nennen“, findet sie. Und fügt schmunzelnd hinzu: Natürlich müsse man auch ein wenig verrückt und von seinen Interessen getrieben sein, sonst sei es manchmal schwer.

Christina Zielinski begann ihr Medizinstudium an der Universität Heidelberg. Von Anfang an zeigte sie ein Interesse an der Wissenschaft. Insbesondere die Krebsforschung fesselte sie damals, was sicher auch an dem starken wissenschaftlichen Umfeld und Seminarangebot am Standort Heidelberg lag. Nach sechs Semestern entschied sie sich für ein Auslandsjahr, um sich voll und ganz auf Forschung konzentrieren zu können. Mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes nutzte sie die Möglichkeit, an der Yale-Universität ihre Doktorarbeit zu machen. „Da war ich einmal wirklich mutig“, erinnert sie sich. „Denn ich habe mich  bei dem Autor meines Immunologie-Lehrbuchs beworben, der damals eine Koryphäe der Immunologie war.“ Ihr Mut wurde belohnt, Zielinski kam nach Yale. Sie war ihrem Interesse gefolgt und in der Immunologie angekommen.

International unterwegs

Nach Yale folgten weitere spektakuläre Auslandsaufenthalte und Top-Adressen in der Forschung: Als International visiting Scholar besuchte Christina Zielinski die Stanford University in Palo Alto, die Duke Medical School in Durham und last but not least die Harvard Medical School in Boston. „Ich war schon reiselustig“, gesteht die Wissenschaftlerin, aber es sei ihr eigentlich mehr darum gegangen, eine Top-Ausbildung in den besten Forschungsstätten zu erhalten. Nur am Rande erwähnt sie, dass für diese ausgewählten Orte auch Stipendien notwendig waren. Und dass sie diese durch hervorragende Leistungen erworben hat, bleibt unerwähnt. Fast scheint es, als würde die junge Wissenschaftlerin ihre Karriere strategisch planen. Auf die Frage danach, überlegt sie eine ganze Weile. „Ich weiß nicht, eigentlich habe ich immer sehr spontan entschieden. Ich halte einfach die Augen offen und versuche, meine Sache möglichst gut zu machen. Und so haben sich immer wieder interessante Möglichkeiten ergeben“, erklärt sie dann.

Als Christina Zielinski nach dem Studium ihre Facharztausbildung anfängt, ist klar, dass sie bei der Immunologie bleiben will. Sie beginnt in Tübingen eine Ausbildung in der Dermatologie, der Disziplin, in der man ihrer Meinung nach die Immunologie anhand vieler verschiedener Krankheitsbilder live erleben kann. Fast zwei Jahre ist sie im Uniklinikum als Ärztin tätig. Dann muss sie im morgendlichen Literatur-Seminar ein Paper vorstellen. Die Entdeckung der TH-17-Zellen, die im Paper beschrieben sind, weckt erneut ihren Forschergeist und sie geht kurzentschlossen als Postdoc nach Bellinzona in die Schweiz. Denn dort findet erstklassige immunologische Forschung statt mit einem besonderen Schwerpunkt in der humanen Immunologie. „Ich habe gespürt, dass diese Entdeckung eine ganz große Sache war und wollte an dem Aufwind, den die Immunologie dadurch erfahren hat, teilhaben.“

Wenn die Forschung ruft

T-Zellen, oder genauer gesagt T-Lymphozyten, sind weiße Blutkörperchen, die vor allem die sog. erworbene Abwehr des Menschen darstellen. Sie werden im Thymus gebildet und reagieren spezifisch auf Fremdkörper, sog. Antigene. Was ist so spannend an diesen Helferzellen unseres Immunsystems, dass man von einem Tag auf den anderen für sie die Spur wechselt? „T-Zellen sind eine wahnsinnig interessante Community“, versucht Christina Zielinski zu erklären. Wenn bei ihnen etwas aus der Balance gerät, zeige sich das oft schmerzhaft für die Betroffenen.

Was die Forschung an diesen Zellen für Zielinski aber besonders reizvoll macht, ist ihr großes Potenzial, wenn es darum geht, Krankheiten zu bekämpfen. Die TH17-Zellen beispielsweise können Interleukin 17 bilden, eine Substanz, die bei vielen Autoimmunerkrankungen zu Gewebeschäden führt, zum Beispiel bei der bekannten und gefürchteten Schuppenflechte. Nachdem man diese Zusammenhänge erkannt hatte, konnte relativ schnell ein Interleukin-blockierendes Molekül hergestellt werden, das die Schuppenflechte weitgehend unterdrückt. Ein Medikament, das leider noch sehr teuer sei, aber doch ein gutes Beispiel für die Anreize der T-Zellen-Forscher darstellt. Die Translation, die schnelle Umsetzung von Forschung in Therapie, ist auf diesem Gebiet längst Realität.

Clinical Scientist: Ärztin und Wissenschaftlerin

Nach dem Postdoc in der Schweiz beschließt Christina Zielinski, ihre Facharztausbildung abzuschließen. An der Charité Berlin, einem „Hotspot der Immunologie“, wie sie es ausdrückt, wird sie Fachärztin für Dermatologie und sattelt noch eine weitere Ausbildung in Allergologie obendrauf. Als das DZIF 2015 eine Professur im Bereich der Immunologie ausschreibt, bewirbt sie sich. „Eigentlich war ich nicht gerade auf Stellensuche“, gibt sie zu. Aber sie halte eben immer die Augen offen und hatte dann auf einmal sogar mehrere Professuren im Angebot. Das sehr starke wissenschaftliche Umfeld und die hervorragende Ausstattung in München haben dann den Ausschlag für den Wechsel nach München gegeben. Jetzt fühle sie sich hervorragend aufgehoben und sei schon nach einem Jahr in mehrere Forschungsverbünde integriert.

Im DZIF steht nun das Wechselspiel von Abwehrzellen und Infektionen im Fokus ihrer Arbeit. Wie kann es sein, dass T-Zellen, die doch dafür zuständig sind, Eindringlinge zu erkennen und zu bekämpfen, so viele Mikroorganismen in unserem Körper einfach dulden? Und was passiert, wenn das Immunsystem plötzlich auf alles reagiert und es bekämpft, wie es bei den Autoimmunerkrankungen der Fall ist? Ganz offensichtlich lernen die T-Zellen von den Mikroorganismen und umgekehrt. Schon jetzt wissen die Forscher beispielsweise, dass die T-Zellen sowohl anti-entzündlich als auch entzündlich wirken können. Molekulare Schalter, die auch von den Bakterien oder Pilzen „gedrückt“ werden, entscheiden über die Balance. Gerade haben die Wissenschaftler wieder eine neue Art von T-Zellen entdeckt. Es bleibt also spannend auf diesem Feld, da ist sich Zielinski sicher.

Knapp ein Jahr nach ihrem Wechsel von Berlin nach München ist Christina Zielinski angekommen in dieser so ganz anderen Stadt. „Berlin war in jeder Hinsicht chaotisch, aber sehr charmant“, erinnert sie sich. Sie habe sich dort sehr wohl gefühlt, im Prenzlauer Berg. München hingegen sei sehr gut organisiert und etwas konservativ, was  recht gut zu ihrer derzeitigen Lebensphase passe. Mit einem zweijährigen Sohn und einem Mann an ihrer Seite, der ebenfalls forscht, sei Organisation das Entscheidende. Und das Interesse an kulturellem Leben eher im Hintergrund, gibt sie ohne Bedauern zu. Ihre Tenure-Track-Professur, die nach sechs Jahren evaluiert wird, fordert allerdings ihren Tribut. Nur wenn man etwas leistet, ist anschließend eine feste Professur in Sicht. Für eine junge Mutter kein einfacher Weg. Bei dem, was Christina Zielinski schon alles geleistet hat, sollte aber auch das zu schaffen sein.  

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