Entwicklungshelfer für Produkte
Thomas Hesterkamp hat die Translation fest im Blick.
Was hat Sie gereizt und dazu bewogen, die Stelle als Leiter des Translational Project Management Offices (TPMO) am DZIF anzunehmen?
Da sind mehrere Aspekte. Der eine ist, dass ich mich dem Thema Infektionsforschung sehr verbunden fühle. Meine erste professionelle Anstellung war im Bereich Antibiotikaforschung.
Das hat mir viel Spaß gemacht damals und ich habe auch in meiner anschließenden Tätigkeit bei Evotec in Anti-Infektiva- und immunologischen Projekten mitgewirkt. Und dann reizt mich die direkte Interaktion mit der akademischen Forschung: Ich sehe den besonderen Stellenwert in der Rolle und Bedeutung der akademischen Forschung für den biomedizinischen Fortschritt. Insgesamt und im Besonderen im DZIF, da sich Firmen aus dem Bereich der frühen Entwicklung von Anti-Infektiva zurückgezogen haben. Und letztendlich ist das, was mich an der Sache reizt, dass wir aus diesem beeindruckenden Potenzial im DZIF wirklich versuchen, Produkte zu machen; neuartige Produkte, bessere und zusätzliche Produkte zu machen, mit denen wir im Bereich Anti-Infektiva dem medizinischen Bedarf begegnen können.
Welche Aufgaben haben Sie in Ihrer Funktion?
Ich bin nicht hundertprozentig sicher, dass ich sie aus heutiger Sicht schon wirklich vollständig erläutern kann. In gewisser Weise sehe ich das TPMO als Dienstleister: als ein Scharnier zwischen der Forschungsleistung, die im DZIF erbracht wird, und dem Anspruch, Forschung auch in Produktkandidaten zu übersetzen. Konkret habe ich häufige Interaktion mit den Regulatoren; das ist im Moment das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und dort insbesondere Herr Christoph Conrad, der das sogenannte Office for Scientific and Regulatory Advice leitet. Die regulatorische Begleitung unserer DZIF-Projekte durch das PEI erfordert, dass es ein TPMO gibt, das regulatorische Fragestellungen so aufbereitet, dass die Unabhängigkeit des PEI als Bundesoberbehörde gewahrt bleibt. Darüber hinaus habe ich die Aufgabe in der wissenschaftlichen Begleitung von laufenden Projekten, aber auch Bewertung von Projektanträgen. Ich habe Interaktionen mit Wissenschaftlern, die hier Projekte durchführen und Gelder beantragt haben. Da geht es für mich darum, Machbarkeiten zu hinterfragen, Patentsituationen zu prüfen, den Markt zu verstehen oder einfach meine Beratung anzubieten. Dann habe ich natürlich eine proaktive Rolle, d.h. von mir wird verlangt und erwartet, dass ich Technologien identifiziere, die für das DZIF von Interesse sind, dass ich die rechtlichen Grundlagen dafür schaffe in Form von Lizenzabkommen oder Verträgen, dass wir solche Technologien einsetzen können. Auch baue ich gerade das DZIF Technologie-Transfer-Konsortium mit den lokalen und regionalen Patentverwertungsagenturen auf.
Inwieweit liegt die Umsetzung bzw. Translation von Projekten in Ihren Händen?
Grundsätzlich ist die Rolle des TPMO eher koordinierend-beratend; ich wünsche mir natürlich, dass ich bald auch wirklich konkret Projektmanagement für ausgewählte Projekte durchführen kann. Eine besondere Herausforderung ist, wenn wir wirklich translational im Sinne von produktorientiert arbeiten wollen, dass wir diesen regulatorischen Pfad hinbekommen müssen, d.h. die präklinische Entwicklung nach regulatorischen Standards, d.h. nach Good Laboratory Practice (GLP), Good Manufacturing Practice (GMP), aber auch dann das Einreichen der Clinical Trial Application bis hin zum Start der Rekrutierung von Patienten. Ich würde gern ein Angebot entwickeln für Infektionsforscher in diesem Land, in dem wir diesen regulatorischen und organisatorischen Pfad beschrieben haben und aus diesem Office heraus durchführen können, so dass jemand zu uns kommt und sagt: „DZIF, ich möchte mit Euch ein Projekt machen. Ich habe eine tolle Technologie, ich habe ein Projekt mit einem riesigen Potenzial und ich will mit Euch arbeiten. Nicht nur, weil ihr die Fördermittel habt, sondern auch weil ihr die Erfahrung und den Prozess habt, um diese Translation tatsächlich abzubilden.“ Dabei ist mir wichtig, nicht nur als DZIF-Infrastruktur wahrgenommen zu werden, sondern als jemand, mit dem man schnell, konkret und sichtbar in Projekten Fortschritte erzielen kann. Denn das ist das, was mich treibt.
In Ihrer Position benötigt man sicher einen Riecher für umsetzungsfähige, erfolgversprechende Wirkstoff-Kandidaten, wie haben Sie ihn entwickelt?
Ich mache seit über 15 Jahren Ähnliches wie das, was ich im Moment tue. Ich habe in Dutzenden Projekten Wirkstoff- und diagnostische Kandidaten gesehen, bearbeitet und weiterverfolgt, wie diese in die präklinische Entwicklung und schließlich in die klinische Entwicklung gegangen sind. Und ja, man entwickelt mit der Zeit einen Riecher dafür. Ich muss aber auch sagen, dass diese Intuition eigentlich relativ untergeordnet gegenüber der einfachen Tatsache ist, dass man lesen und reden muss, dass man wissen muss, was der Stand der Technik ist. Man muss sich ein Bild verschaffen, wer in diesem Feld arbeitet und wie weit die Entwicklung fortgeschritten ist. Auch was die spezifische Motivation des Projektleiters oder des Sponsors dieses Projektes betrifft und wie intensiv die Interaktion ist, spielt eine Rolle. Es müssen viele Sachen zusammen kommen, damit es am Ende ein Erfolg wird. Gleichzeitig sollte man im Umgang mit Menschen offen und einladend sein, damit man den Projektfortschritt auf einer offenen und ehrlichen Ebene besprechen kann.
Sind bereits erste Ansätze für Produkte auf dem Weg? Können Sie ein oder zwei Beispiele geben?
Wir haben das große Privileg, dass Forscher zum DZIF gehören und zum DZIF beitragen, die sehr kreativ und in meinen Augen innovativ Produktentwicklung ins Auge gefasst haben. Wir haben gerade jetzt Ende Dezember mehrere Interaktionen am PEI mit Partnern unter DZIF-Förderung gehabt, wo wir Scientific Advice vom PEI eingeholt haben, wie wir eine Phase I-Studie zu gestalten haben. Da geht es konkret um ein Projekt, in dem die Immunabwehr von Blutkrebspatienten durch die Gabe von speziell aufbereiteten weißen Blutkörperchen gestärkt wird. Es gibt ein zweites Projekt, das jetzt Fördermittel bekommen hat für eine Phase I-Studie im Bereich einer Helicobacter pylori-Vakzine. Ich habe diese Woche noch Gespräche mit einer Forscher-Gruppe in Bonn, die einen niedermolekularen Wirkstoff in der präklinischen Entwicklung für eine Tropenerkrankung hat. Auch in den Indikationen „Malaria“ und „Hepatitis B“ sind klinische Studien auf dem Weg. Ja, ich sehe diese Projekte, die an die Klinik klopfen und die sprungbereit sind. Aber ich sehe auch, dass dahinter noch einmal ein oder zwei Lagen von Projekten sind, die in den nächsten ein, zwei, drei Jahren in diesen Reifestatus kommen.
Was müssen Forscher tun, um mit Ihnen zusammen Pläne zu entwickeln?
Ich glaube das Einfachste wäre, wenn man mir sagen würde, was man braucht. Ich ahne, dass häufig nicht klar ist, was man vom TPMO erwarten kann. Ich wiederum weiß nicht, was ich vom Forscher erwarten kann. Insofern wäre der einfachste Einstieg zu sagen „Da und da stehe ich und das und das brauche ich. Kannst Du mir dabei helfen?“ Und ich werde immer versuchen, dann einen gemeinsamen Weg nach vorne zu finden. Ich glaube, was für mich und die Rolle von TPMO schwierig wäre, wenn Projekte vorwiegend lokal oder regional betrieben werden und die Interaktion mit dieser Zentralstruktur nicht stattfindet. Denn dann verlieren wir Koordination und Identität fürs DZIF und ich glaube, dass diese Funktion fürs DZIF durchaus identitätsstiftend sein kann. Letztendlich werden wir ja alle auch daran gemessen, welche Produkte in die Klinik oder irgendwann aus der Klinik an den Markt kommen.
Thomas Hesterkamp
Nach einem Studium der Humanbiologie in Marburg führte der Weg von Thomas Hesterkamp relativ schnell in Richtung Anwendung. Auf eine Doktorarbeit zur „Stressantwort und Proteinfaltung in Bakterien“ folgten wissenschaftliche Tätigkeiten am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und eine Post-Doc-Stelle in Freiburg im Breisgau. Von dort zog es Hesterkamp in die Schweiz, wo er bei der Pharmafirma Arpida in die Entwicklung von Iclaprim und die Suche nach neuen Antibiotika involviert war. Im Jahr 2000 begann Hesterkamp bei der Evotec AG, einem der führenden europäischen Biotechnologie-Unternehmen der Wirkstoffforschung, das mit Universitäten auf der einen und Pharmafirmen auf der anderen Seite Allianzen für die Entwicklung neuer Produkte eingeht. Hier arbeitete er bis zu seinem Wechsel als leitender Angestellter an der Schnittstelle zwischen Forschung und Pharmaindustrie.