ERC Synergy Grant: Deutsch-französisches Team erhält elf Millionen Euro für die KI-gestützte Suche nach neuen Antibiotika
Die Professoren Ivo Boneca (Institut Pasteur, Paris), Mark Brönstrup (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig, und Deutsches Zentrum für Infektionsforschung) und Christophe Zimmer (Universität Würzburg) erhalten gemeinsam einen der renommiertesten europäischen Forschungspreise, einen mit elf Millionen Euro dotierten ERC Synergy Grant. Das Trio verfolgt einen auf KI basierenden Ansatz, um die systematische Suche nach neuen Antibiotika deutlich effizienter zu machen.
Kein anderer Forschungspreis in Europa ist so renommiert und so hoch dotiert wie die Synergy Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC): Die Auszeichnung geht ausschließlich an Teams aus zwei bis vier Forschern, die aus unterschiedlichen Disziplinen kommen und ihre Expertise bündeln, um gemeinsam ein besonders anspruchsvolles, potenziell bahnbrechendes Forschungsziel zu erreichen.
Wie der ERC am 5. November 2024 bekannt gegeben hat, erhält ein deutsch-französisches Team einen Synergy Grant in Höhe von elf Millionen Euro. Die Gruppe verfolgt einen auf künstlicher Intelligenz basierenden Ansatz, um die systematische Suche nach neuen Antibiotika deutlich effizienter zu machen. Sie besteht aus den Professoren Ivo Boneca, Mark Brönstrup und Christophe Zimmer.
„Indem wir unser Fachwissen in den Bereichen Mikrobiologie, Genetik, fortgeschrittene Mikroskopie, Metabolomik, medizinische Chemie, Bioinformatik und künstliche Intelligenz zusammenführen, wollen wir für die Antibiotika-Suche eine neue Vorgehensweise etablieren, die uns gleichzeitig Informationen über die Bioaktivität und die Wirkungsweise neuer Antibiotika-Kandidaten liefern wird“, sagt Ivo Boneca.
Die Forscher und ihre Spezialgebiete
Professor Ivo Boneca leitet die Abteilung für Biologie und Genetik der bakteriellen Zellwand am Institut Pasteur in Paris (CNRS/Inserm). Sein Labor ist führend auf dem Gebiet der mikrobiellen Physiologie, bei der Entwicklung von Antibiotika und der Aufklärung ihrer Wirkungsweise. Sein Team setzt routinemäßig Hochdurchsatz-Bildgebung, hochauflösende Massenspektrometrie und bakterielle Mutanten ein, um neue Angriffsziele für Antibiotika zu identifizieren.
Professor Mark Brönstrup leitet die Abteilung „Chemische Biologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Er ist Wissenschaftler im Forschungsbereich „Neue Antibiotika“ am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und Inhaber einer DZIF-Professur an der Leibniz Universität Hannover. Seine Gruppe ist führend auf dem Gebiet der Naturstoffchemie und neuartiger Antibiotika. Ihre Expertise liegt auf der Erzeugung und Optimierung von Antibiotika-Leitstrukturen, rationalem Wirkstoffkonjugat-Design, medizinischer Chemie und der bioanalytischen Aufklärung von Wirkmechanismen.
Professor Christophe Zimmer ist Inhaber des Lehrstuhls für Hochauflösende Optische Mikroskopie am Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Er ist auch mit dem Institut Pasteur in Paris affiliiert, wo er die Forschungseinheit „Bildgebung und Modellierung“ leitet. Sein Team ist führend bei der Entwicklung fortschrittlicher Mikroskopie- und Bildanalyseverfahren für die Biologie. Es verfügt über langjährige Erfahrung bei der Entwicklung optischer und computergestützter Methoden für die Einzelmolekül-Lokalisierungsmikroskopie (SMLM), Hochdurchsatz-Bildgebung, Einzelmolekül-RNA-FISH und die Anpassung von Methoden des maschinellen Lernens, insbesondere des Deep Learning, für die Beantwortung biologischer Fragestellungen.
Wissenschaftlicher Hintergrund des Projekts
Immer mehr bakterielle Krankheitserreger sind gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent. Das ist eines der drängendsten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Um solchen Resistenzen entgegenzuwirken, braucht die Menschheit dringend neue Antibiotika – vor allem solche mit komplett neuartigen Wirkmechanismen.
Bei der Suche nach Antibiotika kommen groß angelegte Screening-Verfahren zum Einsatz. Damit lassen sich aus einer Vielzahl potenzieller Wirkstoffe relativ schnell Verbindungen identifizieren, die das Bakterienwachstum beeinträchtigen. „Doch die üblichen Verfahren können nicht vorhersagen, wo genau die Wirkstoffe die Bakterien angreifen und mit welchen Mechanismen“, erklärt Mark Brönstrup. Dafür seien bislang weitere, oft sehr zeitaufwändige Arbeitsschritte nötig.
Sieben wichtige Krankheitserreger im Fokus
Die Kooperationspartner haben darum die Idee, ein weitgehend neues Verfahren für die systematische Antibiotika-Suche zu entwickeln. Es soll neue Antibiotika-Kandidaten identifizieren und gleichzeitig Informationen über deren Bioaktivität und Wirkmechanismen liefern.
Zunächst will das Team insgesamt sieben Bakterienspezies, darunter gefährliche Krankheitserreger, mit modernsten Methoden analysieren, um ihre zellulären und molekularen Merkmale zu bestimmen: Bacillus subtilis, Escherichia coli, Helicobacter pylori, Mycobacterium abscessus, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Yersinia pseudotuberculosis. Das Ergebnis werden Datensätze in noch nie dagewesenem Umfang sein, die detaillierte Informationen über diese Bakterien und deren genetische Mutanten enthalten.
Deep-Learning-Analysen sollen dann dafür sorgen, dass aus diesem Datenschatz Angriffsziele für Antibiotika mit neuartigen Wirkmechanismen aufgedeckt werden. „Mit diesem Ansatz werden wir synthetische Molekülbibliotheken und Naturstoffe vielleicht sogar aus komplexen Mischungen zielgenau daraufhin untersuchen, ob sie potenzielle neue antibiotische Wirkstoffe enthalten und um ihre molekularen Mechanismen rechnerisch vorherzusagen“, sagt Christophe Zimmer.
Projektdauer beträgt sechs Jahre
Das ERC-Projekt des Trios startet 2025 und läuft sechs Jahre. Sein offizieller Name: „Deep learning analysis of imaging and metabolomic data to accelerate antibiotic discovery against antimicrobial resistance (AI4AMR)”.
Pressekontakte
Service Presse Inserm – presse@inserm.fr
Pressestelle des Instituts Pasteur – Aurelie Perthuison, presse@pasteur.fr
Presse und Kommunikation, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung – Charlotte Schwenner, charlotte.schwenner@helmholtz-hzi.de / presse@helmholtz-hzi.de
Pressestelle der Universität Würzburg – Robert Emmerich, presse@uni-wuerzburg.de
Quelle: Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI)