Erster Impfstoffkandidat gegen neues Coronavirus
Ein Forscher-Team hat einen möglichen Impfstoff gegen das neu aufgetretene Coronavirus entwickelt.
Im Herbst 2012 beunruhigte das damals neu entdeckte Coronavirus die Öffentlichkeit. Es verursacht schwere Krankheitsverläufe mit Atemnot und Lungenentzündung, die zum Tod führen können. Alle bisher bekannten 108 bestätigten Infektionen hängen mit der saudi-arabischen Halbinsel zusammen, daher heißt das Virus "Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV)". In Europa, darunter auch in Deutschland, trat das Virus bislang nur bei Patienten auf, die sich zuvor im saudiarabischen Raum infiziert hatten. Die Infektionsquelle ist bislang noch unbekannt, jedoch kann sich das Virus offenbar von Mensch zu Mensch verbreiten, wie die unmittelbare Ansteckung von Familienangehörigen und Pflegenden bei erkrankten Patienten gezeigt hat.
Ein Team um Professor Gerd Sutter vom Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen an der LMU hat in Zusammenarbeit mit dem Erasmus Medical Center Rotterdam und der Philipps Universität Marburg in den vergangenen Monaten einen möglichen Impfstoff gegen das Virus entwickelt. Darüber berichten die Wissenschaftler im Journal of Virology. „Der von uns entwickelte Impfstoffkandidat gegen das MERS Coronavirus ist der erste publizierte Impfstoff, der realistisch als Notimpfstoff im Menschen eingesetzt werden könnte, falls es zu einer Epidemie kommen sollte“, sagt Sutter.
Sowohl die Ludwig-Maximilians-Universität in München als auch die Phillips Universität Marburg sind Mitglieder des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Dieses neu gegründete Zentrum hat zum Ziel, Infektionskrankheiten möglichst schnell mit wirksamen Mitteln zu begegnen, indem Infektiologie-Forscher aus der Grundlagenforschung, Epidemiologie und Klinik intensiver und interdisziplinärer zusammenarbeiten als je zuvor. Insbesondere bei Ausbrüchen neuer Viren, wie aktuell dem des MERS Coronavirus´, ist es entscheidend, schnell neue Diagnostika und Impfstoffe zu entwickeln, um eine weite Ausbreitung des jeweiligen Virus´ zu vermeiden.
Entwicklungszeit: weniger als ein Jahr
Der neue Impfstoff ist auf Basis des Modifzierten Vacciniavirus Ankara (MVA) entwickelt. Das Impfvirus MVA wurde bereits vor mehr als 30 Jahren an der LMU als Impfstoff gegen Pocken generiert. Heute wird das MVA weltweit bei der Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen gegen Virusinfektionen und Krebs eingesetzt. Die MVA-Viren werden molekularbiologisch so modifiziert, dass Proteine von Krankheitserregern als Impfantigene hergestellt werden können. Dabei wird die genetische Information des Krankheitserregers, in diesem Fall also des Coronavirus, in das Genom der MVA-Viren geschleust.
Der von Gerd Sutter entwickelte Impfstoffkandidat MVA-MERS-S sorgt dafür, dass das Immunsystem eines Impflings ausreichend Antikörper entwickeln kann, damit eine Infektion mit dem Coronavirus wirksam verhindert wird. Das konnte in Tests mit Mäusen gezeigt werden. In einem nächsten Schritt muss nun ein Tiermodell entwickelt und nachgewiesen werden, dass der Impfstoff MVA-MERS-S auch schwere Lungenentzündungen verhindern könnte, die beim Menschen durch das Coronavirus ausgelöst werden. Doch bislang ist noch keine Tierart bekannt, die genauso empfänglich für das Virus ist wie der Mensch.
„Wir haben den besten Impfstoff entwickelt, der bei derzeitigem Forschungsstand gemacht werden kann“, sagt Gerd Sutter. „Das zeigt beispielhaft, dass wir mit unserer Methode innerhalb nur eines Jahres einen Impfstoffkandidaten konstruieren können. MVA-MERS-S könnte direkt in die Produktion gehen.“ Sollte das Coronavirus plötzlich zu einer massenhaften Erkrankung führen, wäre ein schneller Einsatz möglich. Mit derselben Methode könnte auch gegen andere Erreger innerhalb eines vergleichbar kurzen Zeitraums ein Impfstoffkandidat entwickelt werden.(Journal of Virology 2013)
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Jahre 2011 das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gegründet. Im DZIF werden Universitäten, Universitätskliniken, Leibniz- und Max-Planck-Institute, Helmholtz-Zentren sowie Bundesforschungseinrichtungen mit ausgeprägtem Profil auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten zusammengeführt. Ziel des Zentrums ist es, neue Wege in der Prävention, Diagnose und Therapie von Infektionskrankheiten zu finden.