Europaweiter Ausbruch eines multiresistenten Tuberkulosestamms durch Genomanalyse nachgewiesen

Durch die Genomanalytik wurde der Ausbruchsstamm eindeutig identifiziert.

© DZIF/scienceRELATIONS

Dem Nationalen Referenzzentrum (NRZ) am Forschungszentrum Borstel ist es gelungen, einen europaweiten Ausbruch eines multiresistenten Mycobacterium tuberculosis-Stamms bei 29 Flüchtlingen aus dem Horn von Afrika nachzuweisen. Die Ergebnisse dieser europaweit koordinierten Untersuchung, an der neben dem FZB ebenfalls das European Centre for Disease Prevention and Control, das Robert Koch-Institut und das Nationale Referenzzentrum für Mykobakterien der Universität Zürich beteiligt waren, wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht.

Im Jahr 2016 identifizierten die Nationalen Referenzzentren für Mykobakterien in Borstel und in der Schweiz fast zeitgleich einen bisher unbekannten Tuberkuloseerreger. Dieser wies eine ungewöhnliche Kombination von Antibiotikaresistenzen gegen vier verschiedene Medikamente auf. Basierend auf diesem Resistenzmuster und Genomanalysen, konnten die Forscher in Borstel 14 weitere, deutsche Patienten identifizieren, die mit dem gefährlichen Keim infiziert waren. Bei allen Patienten handelte es sich um Flüchtlinge, die aus Ländern am Horn von Afrika nach Europa eingewandert sind. 

Die Häufung der Fälle mit Migrationshintergrund veranlasste das Referenzzentrum in Borstel mit den beteiligten Gesundheitsämtern, dem Robert Koch-Institut, dem Referenzzentrum in Zürich, weiteren europäischen Referenzzentren und dem European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) weiterführende Untersuchungen durchzuführen.

Aufgrund einer „Early Warning and Response System“-Meldung des ECDC, konnte der Ausbruchsstamm bei insgesamt 29 Patienten aus sieben europäischen Ländern nachgewiesen werden, die alle aus dem Horn von Afrika oder dem Sudan stammten.

 „Die schnelle Meldung an das ECDC und die effektive Zusammenarbeit der Referenzzentren hat den Nachweis des Ausbruchsstamms in verschiedenen Ländern erst möglich gemacht“ sagte Dr. Katharina Kranzer, Leiterin des NRZ am Forschungszentrum Borstel.

Die molekularbiologischen Untersuchungen in Kombination mit Patienteninterviews ermöglichten die teilweise Rekonstruktion der Infektionskette.  Die Daten weisen darauf hin, dass die Übertragung vor der Ankunft in Europa in einem libyschen Flüchtlingscamp bei Bani Waleed stattgefunden hat. Wahrscheinlich stammt der Ausbruchsstamm von einem im Horn von Afrika häufigen Klon und hat  die gefährliche Resistenzkombination entwickelt. Wie der Erreger in das Flüchtlingslager eingetragen wurde, lässt sich nicht vollends rekonstruieren.

„Nur durch die Genomanalytik konnte der Ausbruchsstamm eindeutig identifiziert werden“ so Prof. Stefan Niemann, Letztautor der Studie und Leiter der Forschungsgruppe Molekulare und Experimentelle Mykobakteriologie am Forschungszentrum Borstel und des Bereichs „Tuberkulose“ des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). „Diese Studie hat gezeigt, dass die Genomsequenzierung zeitnah und länderübergreifend für die Analyse von MDR-TB Ausbrüchen eingesetzt werden kann. Um die Vorteile dieser Technologie voll zu nutzen, muss diese allerdings in die routinemäßige Ausbruchs-Untersuchung und TB-Überwachung eingebaut werden“.

Die Anwendung der Genomsequenzierung für eine verbesserte Diagnostik, Therapie und Übertragungsanalyse von MDR-TB-Stämmen stellt einen wichtigen Bestandteil der Arbeit des Forschungszentrums Borstel dar, der zur Zeit auch in verschiedenen Forschungsprojekten im DZIF bearbeitet wird.

zur Pressemitteilung Forschungszentrum Borstel

Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt für den DZIF-Presseverteiler anmelden

Erhalten Sie die Pressemitteilungen des DZIF direkt in Ihren Posteingang.