Hepatitis B: Ungewöhnliches Virus in Spitzmäusen entdeckt

In der Spitzmaus konnten Wissenschaftler ein ungewöhnliches Hepatitis-B-Virus entdecken, das zum Verständnis der Krankheit beitragen kann.

© Ulrike Rosenfeld

Die Entdeckung eines ungewöhnlichen Hepatitis-B-Virus aus Spitzmäusen eröffnet neue Möglichkeiten, den chronischen Verlauf der Erkrankung zu verstehen. Internationale Forscherteams konnten zeigen, dass diesem Virus ein wichtiges Protein fehlt, das normalerweise für die Chronifizierung der Krankheit zuständig ist. Federführend waren DZIF-Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und an der Gießener Universität.

Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) sind eines der großen globalen Gesundheitsprobleme. Besonders problematisch ist die hohe Zahl der chronischen Verläufe: Mehr als 240 Millionen Menschen sind weltweit mit diesem Virus chronisch infiziert und über 887.000 Infizierte sterben jährlich an den Spätfolgen der Infektion wie Leberzirrhose und Leberkrebs. Die Chronifizierung der HBV-Infektion, die oft jahrzehntelang unerkannt bleibt, bildet eines der wesentlichen Merkmale dieser Viruserkrankung. „Mit der Entdeckung dieses ungewöhnlichen HBV in der Spitzmaus haben wir die Chance, die Pathogenese dieser chronischen Krankheit zu verstehen“, erklärt die Erstautorin der Studie Andrea Rasche, Wissenschaftlerin an der Charité - Universitätsmedizin Berlin und DZIF-Stipendiatin des „Maternity Leave“ Programms.

Dem Virus in der Spitzmaus fehlt ein wichtiges Protein, das für die Chronifizierung der Infektion bedeutsam ist. „Ohne diesen Immunmodulator, HBeAg genannt, wäre der chronische Verlauf der Krankheit kaum möglich“, betont Prof. Dr. Jan Felix Drexler, DZIF-Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und DZIF-Wissenschaftler im Forschungsbereich „Emerging Infections“. Und das betrifft alle bislang bekannten HBV der Säugetiere. Sie bilden dieses Protein während der Infektion. Es unterdrückt als Immunmodulator die spezifische Immunabwehr des Körpers gegen das HBV, so dass die Infektion nicht ausheilen kann und chronisch verläuft – oft mit sehr hohen Viruskonzentrationen im Blut. Beim Fehlen dieses viralen Proteins kann das Immunsystem des Körpers hingegen die Infektion erfolgreich bekämpfen.

Nicht so bei dem neu entdeckten HBV der Spitzmäuse. Fast 700 Spitzmaus-Proben aus Europa und Afrika untersuchten die Forscher und trotz der Abwesenheit von HBeAg zeigten die infizierten Tiere hohe HBV-Viruskonzentrationen im Blut. „Dies weist auf eine sehr erfolgreiche, aber ungewöhnliche Infektionscharakteristik und Verbreitung des Spitzmaus-HBV in seinen Wirten hin“, erklärt Prof. Dr. Dieter Glebe, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-B- und D-Viren an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und DZIF-Wissenschaftler im Forschungsbereich „Hepatitis“. „Da das Virus nicht in der Lage ist, menschliche Leberzellen zu infizieren, kann eine Infektion des Menschen mit diesen Viren mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.“ Von einer Gefahr für die Bevölkerung bei Kontakt mit HBV-infizierten Spitzmäusen ist daher nicht auszugehen.

Eine weitere Besonderheit des nun entdeckten Virus ist, dass es nicht den bislang beim Menschen- und Affen-HBV bekannten Leber-Gallensäuren-Transporter zum Eintritt in die Leberzellen nutzt, sondern einen bislang unbekannten Weg in die Zelle nimmt. „Wir kennen also immer noch nicht alle HBV-Rezeptormoleküle“, sagt Prof. Drexler. Neben diesen wichtigen Erkenntnissen zur HBV-Infektion gibt das Spitzmaus-Virus neue Einblicke in die stammesgeschichtliche Entwicklung von HBV. „Unsere evolutionsbiologischen Untersuchungen zeigen, dass HBV seit Jahrmillionen in Säugetieren existieren, vermutlich seit etwa 80 Millionen Jahren“, so Prof. Drexler.  

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun das ungewöhnliche Infektionsverhalten dieser Spitzmaus-HBV weiter untersuchen, die ohne den zentralen Immunmodulator HBeAg auskommen. Trotz enormer internationaler Anstrengungen konnte bislang keine effektive Therapie zur Heilung der chronischen Hepatitis B entwickelt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass keine gut geeigneten Tiermodelle existieren, mit denen die komplexen Wechselwirkungen der Virusinfektion mit dem Immunsystem des Wirts untersucht werden können. „Spitzmäuse könnten ein vielversprechendes Tiermodell für die HBV-Forschung darstellen. Das hier entdeckte Virus eignet sich insbesondere dafür, die Mechanismen von chronischen HBV-infektionen zu untersuchen“, so Prof. Drexler.

Internationale Zusammenarbeit

Gemeinsam mit den Teams von Prof. Dr. Dieter Glebe und Prof. Dr. Jan Felix Drexler sind zahlreiche nationale und internationale Forscherteams an der Studie beteiligt. Die Arbeiten wurden hauptsächlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und im Rahmen des DZIF gefördert. Beteiligt an der Studie sind die JLU, die Charité- Universitätsmedizin Berlin, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, das Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald/Riems sowie Universitäten und Institute in Brasilien, den Niederlanden, Sierra Leone, Nigeria, der Elfenbeinküste, Lettland, Litauen und Russland.

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