Hepatitis B: Was der Mensch vom Esel lernen kann
Die Entdeckung bisher unbekannter Hepatitis-B-Viren bei Eseln und Zebras eröffnet neue Möglichkeiten, den Verlauf der Erkrankung zu verstehen. Ein weltweites Forscherkonsortium konnte zeigen, dass die Infektion mit diesem Virus ganz ähnlich verläuft wie die chronische Hepatitis B beim Menschen. Federführend bei dieser Studie waren DZIF-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) gehören zu den großen globalen Gesundheitsproblemen. Besonders kritisch ist die hohe Zahl an chronischen Verläufen, an deren Folgen weltweit jährlich über 800.000 Menschen sterben. Es gibt bisher keine Therapie, die zur Heilung führt. „Mit der Entdeckung eines neuartigen Virus in Eseln und Zebras haben wir nun die Chance, den chronischen Verlauf der Erkrankung besser zu verstehen und damit auch schwere klinische Verläufe abzumildern oder zu verhindern“, erklärt Prof. Dr. Jan Felix Drexler, DZIF-Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) identifiziert und beobachtet er neu auftretende Viren, die auch dem Menschen gefährlich werden könnten.
„Vor fünf Jahren konnten wir erstmals zeigen, dass Esel Viren tragen, die mit dem Hepatitis-C-Virus verwandt sind“, erklärt Andrea Rasche, Erstautorin der Studie und DZIF-Wissenschaftlerin an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Da beim Menschen das Hepatitis-B-Virus und das Hepatitis-C-Virus oft gemeinsam vorkommen, haben die Forschenden daraufhin weltweit auch nach HBV gesucht. Neben Feldarbeit kamen umfangreiche molekularbiologische, serologische, histopathologische und evolutionsbiologische Methoden zum Einsatz. „Wir haben fast 3000 Proben von Einhufern, also von Eseln, Zebras und Pferden in fünf Kontinenten auf das Hepatitis-B-Virus untersucht und fanden heraus, dass Esel das neue Virus weltweit tragen“, erklärt Drexler.
Die Ursprünge des neuen HBV könnten mit der Domestizierung des Esels in Afrika vor einigen Tausend Jahren zusammenhängen. Esel werden sowohl mit HBV, als auch mit HCV natürlich infiziert. Zebras sind ebenfalls mit HBV infiziert, Pferde sind voraussichtlich ebenfalls empfänglich, allerdings konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ersten Studien keine infizierten Pferde finden. In natürlich infizierten Eseln verläuft die Infektion ähnlich der chronischen Hepatitis B des Menschen.
„Das neue HBV scheint einen noch unbekannten Rezeptor für den Eintritt in die Wirtszelle zu nutzen“ erklärt Felix Lehmann, ebenfalls Erstautor der Studie und DZIF-Wissenschaftler an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), wo er die Molekularbiologie der Virusbindung und die Aufnahme in der Zellkultur untersucht hat. Die Entstehung des menschlichen HBV und die Entstehung seiner Rezeptornutzung sind weiterhin unklar und werden von den Forschenden gemeinsam untersucht werden.
„Da das Virus nicht in der Lage ist, menschliche Leberzellen zu infizieren, kann eine Infektion des Menschen mit diesem Virus mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden“, betont Prof. Dr. Dieter Glebe, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-B-Viren und Hepatitis-D-Viren an der JLU Gießen und DZIF-Wissenschaftler im Forschungsbereich „Hepatitis“. Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, mit dem Virus in Eseln und Zebras die Pathogenese der chronischen Hepatitis-B und der HBV/HCV-Koinfektion besser zu verstehen und mit dem gewonnenen Wissen auch eine Grundlage für neue Therapien zu legen.