Langzeittherapie der multiresistenten Tuberkulose besser als gedacht
Eine Langzeitstudie des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum, konnte zeigen, dass der Therapieerfolg bei Patientinnen und Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose sehr viel höher ist, als bisher von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenommen. Die Ergebnisse, die nun in der Fachzeitschrift Journal Clinical Microbiology and Infection veröffentlicht wurden, legen nahe, dass für die aussagekräftige Vorhersage eines Behandlungserfolges die Ergebnisse der Langzeitstudien miteinbezogen werden sollten.
Antibiotikaresistenzen erschweren zunehmend die Kontrolle der Tuberkulose. In manchen Ländern Osteuropas, z.B. Moldau, Weißrussland, Ukraine oder Russland, sind mehr als ein Drittel aller Tuberkulose-Patientinnen und -Patienten mit multiresistenten Bakterien infiziert, bei denen die besten Medikamente der Standardtherapie nicht mehr wirksam sind. Während mehr als 85 % aller Tuberkuloseerkrankten heute erfolgreich behandelt werden können, sind es laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit nur 60 % der Patientinnen und Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose.
„Ob Erkrankte aber tatsächlich erfolgreich behandelt werden, kann die Weltgesundheitsorganisation eigentlich nicht wissen, denn deren Definitionen beurteilen das Behandlungsergebnis am letzten Tag der Therapie. Das ist ungefähr so, als würde man einem Krebspatienten am letzten Tag der Chemotherapie sagen, er sei geheilt“, erklärt Professor Christoph Lange, Medizinischer Direktor des Forschungszentrums Borstel und Leiter der klinischen Tuberkuloseeinheit im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF ClinTB). „Ob eine Heilung tatsächlich erfolgt ist, kann man nur Jahre nach Abschluss der Therapie beurteilen, wenn die Erkrankung nicht wiedergekommen ist“, so Lange. Diese Langzeitergebnisse haben die Wissenschaftler:innen nun in der aktuellen Studie untersucht.
Christina Maier, Medizinstudentin an der Universität zu Lübeck, Stipendiatin des DZIF und Doktorandin in der Forschergruppe von Professor Lange, hat die Langzeit-Behandlungsergebnisse von 167 Fällen mit einer multiresistenten Tuberkulose, die zwischen 2002 und 2020 in Borstel behandelt wurden, ausfindig gemacht. Bis zur Schließung der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum Ende 2021 war diese Klinik das größte Zentrum zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose in Deutschland und eines der größten in Westeuropa. Da mehr als 90% der Erkrankten aus dem Ausland stammen und nach der Therapie auch zum Teil in ihre Heimatländer zurückgereist sind, musste Maier international recherchieren.
Maier konnte die Patientinnen und Patienten im Durchschnitt über vier Jahre nachverfolgen, ein Patient war noch nach mehr als 20 Jahren erreichbar. Mit der aktuell gültigen WHO-Definition erzielten nur 57% der Patientinnen und Patienten einen Behandlungserfolg, während tatsächlich 77% aller Patienten noch am Leben waren und kein Rezidiv der Tuberkulose hatten. Wenn man nur Fälle berücksichtigte, über die Daten verfügbar waren, erreichten sogar 83% der Patientinnen und Patienten langfristig eine Heilung.
„Die Ergebnisse sind mit den WHO-Definitionen deshalb so schlecht, weil Patienten bei Wechsel der Therapie aufgrund von Nebenwirkungen oder bei verzögertem Therapieansprechen automatisch in die Kategorie „Therapieversagen“ fallen, obwohl die meisten der Behandelten geheilt werden“, erklärt Maier. „Zukünftige Definitionen für Behandlungsergebnisse sollten sich an den Resultaten von Langzeitstudien orientieren.