Memento Forschungspreis 2020 für Infektionsmediziner Christian Keller
PD Dr. med. Christian Keller, Philipps-Universität Marburg und Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, und Dr. rer. nat. Anke Osterloh, Forschungszentrum Borstel, wurden mit dem diesjährigen "Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten" ausgezeichnet. Die internationale Jury würdigte durch den mit 5.000 Euro dotierten Preis ihre Beiträge und ihr Engagement für die Forschung an Rickettsien-Infektionen.
Rickettsien-Infektionen kommen weltweit vor und betreffen viele Menschen insbesondere in ärmeren Regionen der Erde. In den vergangenen Jahren wurden steigende Fallzahlen und eine zunehmende räumliche Verbreitung dieser Bakterien beobachtet. Mit über einer Million geschätzter Infektionen pro Jahr weltweit gehört das vor allem in den tropischen Regionen Asiens beheimatete Tsutsugamushi-Fieber zu den häufigsten Erkrankungen aus der Gruppe der Rickettsiosen. Es wird durch das Bakterium Orientia tsutsugamushi verursacht und kann lebensbedrohliche Verläufe nehmen. Dennoch sind Rickettsien-Infektionen bislang den wenigsten ein Begriff: „Vernachlässigt heißt oft auch unbekannt. Infektionen durch Rickettsien kennen die wenigsten, und doch haben sie große Bedeutung als Erreger schwerer, oft sogar lebensbedrohlicher Infektionskrankheiten auf allen Kontinenten“, sagt Jurymitglied Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missioklinik Würzburg in seiner Laudatio.
In vielen Ländern mangelt es an zuverlässigen, breit verfügbaren und erschwinglichen Diagnostika als Grundlage für die Behandlung mit einem passenden Antibiotikum. „In Afrika und Asien wird die Diagnostik häufig an teure Labore außerhalb der Krankenhäuser vergeben und verkauft. Patienten mit niedrigen Einkommen sind so kaum adäquat zu versorgen“, so der Infektionsmediziner Christian Keller vom Institut für Virologie in Marburg. Bei falscher oder verzögerter Behandlung können Rickettsien-Infektionen dann oft tödlich verlaufen.
In den vergangenen Jahren entwickelten Christian Keller und Anke Osterloh, zu Beginn noch in der ehemaligen Abteilung für Immunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, neue Labormodelle für die Infektion mit Orientia tsutsugamushi und Rickettsia typhi, zwei der weltweit am häufigsten vertretenen Rickettsien. „Diese Modelle haben sehr viel zum Verständnis der Immunantwort gegenüber Rickettsien beigetragen und erlauben uns nun, neue Wirkstoffe und potentielle Impfstoffe auszutesten“, so die beiden Forscher. Keller und Osterloh zeigten in diesen Modellen eine hohe Wirksamkeit des im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickelten „Corallopyronin A“ gegen verschiedene Rickettsien. Sie demonstrierten so, dass mit den „Switch-Region-Inhibitoren“ eine neue Antibiotikaklasse gegen Rickettsien einsetzbar ist. Sie entwickelten zudem den weltweit ersten transgenen Stamm von Rickettsia typhi, ein wichtiges Instrument für die Entwicklung neuer Therapieansätze und Impfungen.
Neben der Identifizierung neuer Wirkstoffe und der Entwicklung eines Impfstoffes ist auch die translationale, patientennahe Forschung ein wichtiges Anliegen von Anke Osterloh und Christian Keller. Dabei steht die Identifizierung von Biomarkern für schwere Infektionsverläufe und klinische Studien im Vordergrund. Wichtige Kooperationsstandorte der beiden Forscher für diese Arbeiten befinden sich in Nepal, Ghana, Kamerun und Madagaskar.
Hintergrundinformation zum Memento Preis
Der Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten wurde am 11.03.2020 zum siebten Mal verliehen. Ziel der Initiatoren des Preises – Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, BUKO Pharma-Kampagne und DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. – ist es, Aufmerksamkeit für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu schaffen, an denen zwar Millionen Menschen weltweit leiden, für die es aber oft keine adäquaten Impfstoffe, Diagnostika oder Medikamente gibt. Laut eigener Pressemitteilung sieht das Memento-Bündnis die Bundesregierung in der Pflicht, entsprechend ihrer neuen Führungsrolle in der globalen Gesundheit, mehr Geld für die Forschung im Bereich der vernachlässigten Krankheiten bereitzustellen.
Mit Christian Keller wird nach Jürgen May, Achim Hörauf, Carsten Köhler, Gisela Bretzel und Christoph Lange zum sechsten Mal ein DZIF-Wissenschaftler mit dem Memento-Preis ausgezeichnet. Im Forschungskonsortium „Vernachlässigte Tropenkrankheiten“ des DZIF verstärken die Wissenschaftler ihr Engagement in diesem Bereich.