Mikrobiom-Forschung: Die Darmbakterien der Maus kultivieren und entschlüsseln
Die Gesamtheit aller Bakterien im Darm einer Maus, die so genannte Darm-Mikrobiota, kann Forschungsergebnisse im Mausmodell erheblich beeinflussen. Allerdings liegt nach wie vor über viele Darmbakterien in Mäusen nicht genügend Wissen vor, um diese Einflüsse zu berücksichtigen. Wie sich die Bakterienflora im Darm von Mäusen zusammensetzt, wurde nun erstmals umfassend dargestellt mit einer Sammlung kultivierbarer Bakterien: Hundert Stämme, inklusive 15 bisher unbekannte Arten, konnte ein Team von Wissenschaftlern charakterisieren und in einer Datenbank öffentlich zugänglich machen. Beteiligt waren auch DZIF-Wissenschaftler in München und Braunschweig.
Etwa 100 Billionen Bakterien leben mit dem Menschen in Symbiose, vor allem im Darm und genauso auf der Haut sowie anderen Körperregionen. Diese winzigen Lebewesen sind von zentraler Bedeutung und Experten sprechen zum Beispiel von der Darm-Mikrobiota oder auch dem Mikrobiom. Dieses zu entschlüsseln und die Rolle der Bakterien im Darm besser zu verstehen, daran arbeiten auch DZIF-Wissenschaftler an der Universität München (LMU) und der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig gemeinsam mit dem Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung (ZIEL) der Technischen Universität München (TUM).
76 verschiedene Bakterienspezies aus Mausmikrobiom isoliert
Ein Schlüssel für ein besseres Verständnis der Einflüsse von Darmbakterien sind Mausmodelle und deren Bakterienstämme, von denen bislang nur eine Handvoll öffentlich verfügbar und voll charakterisiert ist – ein stark limitierender Faktor für die Forschung. In der aktuellen Veröffentlichung in "Nature Microbiology" beschreiben die Wissenschaftler nun eine umfangreiche Stammsammlung, die insgesamt einhundert Darmbakterien-Isolate aus dem Mikrobiom von Mäusen enthält. Für die Studie wurden 1500 Darmbakterienkulturen untersucht und daraus 76 verschiedene Spezies identifiziert, sequenziert und archiviert.
„Das Ziel unserer Arbeit war es, einen ersten großen Schritt in Richtung einer Entschlüsselung der kultivierbaren Darmbakterien der Maus zu gehen. Es bleibt noch viel zu tun. Wir stellen unsere Arbeit Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung und hoffen, dass andere genauso helfen, den bislang unvollständigen Status zu vervollständigen", sagt Dr. habil. Thomas Clavel, der seit zehn Jahren an der TU München verschiedene Bakterien im Mikrobiom erforscht. „Durch vergleichende Mikrobiomstudien aus Patientenproben haben wir bereits eine Menge über die wichtige Rolle der Darmflora bei der Verhinderung von Infektionen gelernt. Für tiefer gehende Analysen müssen wir auf Tiermodelle zurückgreifen, wo wir die Darmflora gezielt verändern können. Hierfür ist die neue Stammsammlung von enormer Wichtigkeit“, betont Prof. Bärbel Stecher, die an der LMU München gnotobiotische Mausmodelle für die Erforschung von gastrointestinalen Infektionen entwickelt. Dabei handelt es sich um Mäuse, die mit bekannten Mischungen oder „Cocktails“ von Darmbakterien besiedelt werden.
Neue Bakterien mit besonderen Funktionen
Es konnten erstmals neue Bakterien mit wichtigen funktionellen Eigenschaften charakterisiert werden: So etwa das Bakterium Flintibacter butyricum, welches die kurzkettige Fettsäure Butyrat sowohl aus Zucker als auch aus Eiweiß produziert – eine seltene Eigenschaft im Reich der Darmbakterien. Butyrat ist ein Hauptfermentationsprodukt im Darm, welches in zahlreichen Studien anti-entzündliche und positive Effekte gegen stoffwechselbedingte Erkrankungen zeigte. Zudem enthält die Sammlung den ersten bekannten Vertreter der Bakterienfamilie ‘Muribaculaceae’ – eine zahlenmäßig vorherrschende Bakterienfamilie im Mausdarm, über die aber bisher noch nichts bekannt ist.