Multiresistente Keime: Entwicklung neuer Antibiotika
DFG und ANR fördern deutsch-französisches Konsortium
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die französische Agence National de la Recherche (ANR) fördern ab sofort das Projekt „Charakterisierung neuartiger Naturstoffbindestellen in der DNA-Gyrase von multiresistenten Mycobacterium tuberculosis und Neisseria gonorrhoeae (NaPGyr)“, in dem ein neues Konsortium zur Entwicklung von Antibiotika gegen multiresistente Bakterien forscht. In NaPGyr starten die beiden DZIF-Wissenschaftler Prof. Jan Rybniker und Prof. Rolf Müller eine Kooperation mit dem Institut Pasteur in Paris.
Prof. Rybniker leitet an der Uniklinik Köln den Schwerpunkt für klinische Infektiologie der Klinik I für Innere Medizin und koordiniert im DZIF den Forschungsbereich „Tuberkulose“. Prof. Rolf Müller ist Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und koordiniert im DZIF den Forschungsbereich „Neue Antibiotika“. Ihr Projektpartner am Institut Pasteur ist die Strukturbiologin Dr. Stéphanie Petrella.
Antibiotikaresistenzen zählen zu den aktuell größten Herausforderungen der Medizin. Multiresistente Keime, die auch mit modernen Antibiotika nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, erschweren zunehmend die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit bakteriellen Infektionen. Die Tuberkulose zählt mit jährlich über zehn Millionen Erkrankten und geschätzt 1,4 Millionen Todesfällen weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Gonokokken führen unter anderem zu einer Schleimhautinfektion der Harnröhre (Gonorrhoe), die laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit ca. 87 Millionen Krankheitsfällen pro Jahr weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen zählt. Sowohl Tuberkuloseerreger wie auch Gonokokken sind zunehmend resistent oder multiresistent. Neue Ansatzpunkte sowie die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe gegen diese Erreger sind daher von größter Bedeutung.
In dem von der DFG und der ANR geförderten Projekt NaPGyr arbeiten nun deutsche und französische Forschende an der umfassenden Charakterisierung neuartiger Bindestellen an einem bestimmten Enzym (DNA-Gyrase), das nur in Bakterien vorkommt und für die Ablesung und Verdopplung der Erbsubstanz der Bakterien (DNA-Synthese) und somit für deren Wachstum essenziell ist. „Gyrasen sind als möglicher molekularer Angriffspunkt schon lange Zeit Gegenstand intensiver Forschung, was zur Entwicklung einiger initial gut wirksamer Antibiotika geführt hat, die als sogenannte Gyrasehemmer bezeichnet werden. Allerdings haben Bakterien gegen die bestehenden Wirkstoffe bereits verschiedenartige Mechanismen entwickelt, um sich zu schützen und somit resistent zu werden. Aus vorherigen Forschungsarbeiten ist bekannt, dass die beiden Naturstoffklassen Cystobactamide und Corramycine die DNA-Synthese insbesondere von Neisseria gonorrhoeae und von Mycobacterium tuberculosis effizient hemmen und so zum raschen Zelltod der Bakterien führen“, erklärt Prof. Rybniker.
Molekularer Angriffspunkt dieser beiden Stoffklassen sind wiederum bakterielle Topoisomerasen, zu denen auch die DNA-Gyrase zählt. Es deutet vieles darauf hin, dass Cystobactamide eine neuartige Bindestelle adressieren bzw. dass sie die bakteriellen Enzyme über einen neuartigen Wirkmechanismus hemmen. Ähnliches gilt für die Corramycine. Wichtig: Für beide Stoffklassen scheint keine Kreuzresistenz mit schon verfügbaren Antibiotika aus der Gruppe der Gyrasehemmer zu bestehen, sodass diese neuen Klassen auch gegen resistente Bakterien wirksam sind.
Im Rahmen von NaPGyr sollen die von Cystobactamiden und Corramycinen adressierten neuartigen Bindestellen an der DNA-Gyrase strukturell charakterisiert werden. Obwohl die Substanzen in der Petrischale bereits hochaktiv sind, sollen sie nun so verändert werden, dass sie im Körper auch in ausreichenden Mengen an die Infektionsherde gelangen, zum Beispiel in die Lunge. Die Kenntnis über die molekularen Interaktionen und den Wirkmechanismus werden hierbei zum einen das Design wie auch die Synthese weiterer und verbesserter Derivate ermöglichen, die dann für die Anwendung als Antibiotika in der Therapie von Infektionskrankheiten angewendet werden können.