Neue Hoffnung im Kampf gegen Tuberkulose

UNITE4TB, die größte öffentlich-private Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Tuberkulosemedikamenten, gibt den Beginn klinischer Studien bekannt.

Das klinische Studienprogramm der Phase IIb/c von UNITE4TB beginnt am Studienort in Kapstadt, Südafrika.

© UNITE4TB

UNITE4TB – eine internationale öffentlich-private Partnerschaft, deren Ziel es ist, die Entwicklung innovativer Tuberkulosebehandlungen zu beschleunigen – hat heute den Beginn ihres klinischen Studienprogramms der Phase IIb/c bekannt gegeben und den ersten Teilnehmer am Studienzentrum in Kapstadt, Südafrika, aufgenommen. Diese Ankündigung ist ein wichtiger Meilenstein für das Projekt und die Tuberkulose-Gemeinschaft insgesamt. Sie trägt dazu bei, die Tuberkulose-Forschung voranzubringen und die Effizienz der Bereitstellung neuer Behandlungen zu verbessern.

Tuberkulose als globale Herausforderung

Tuberkulose (TB) ist eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und zählt weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation forderte die Krankheit im Jahr 2022 1,3 Millionen Menschenleben, womit sie nach COVID-19 die zweithäufigste infektiöse Todesursache ist. Das Auftreten von Antibiotikaresistenzen sowie das Problem der langen Behandlungsdauer haben die Dringlichkeit von Maßnahmen und Investitionen in die Tuberkuloseforschung erhöht.

Von entscheidender Bedeutung für Menschen mit Tuberkulose ist ein schnellerer Zugang zu verbesserten Therapien mit kürzerer Behandlungsdauer und geringeren Nebenwirkungen. UNITE4TB arbeitet daher bereits seit Beginn des Projektes mit zentralen gesellschaftlichen Akteuren zusammen, um neu entwickelte Therapien später so effizient wie möglich zur Verfügung stellen zu können.

Neue Grenzen erforschen

Im Rahmen der innovativen Phase-IIb/c-Studien von UNITE4TB werden 14 Kombinationen von neun bestehenden Medikamenten sowie zwei neu entwickelte Wirkstoffkandidaten (BTZ-043 und GSK656) getestet. Ziel ist es, Therapieschemata zu entwickeln, die die Behandlung von multiresistenter (MDR) sowie auch medikamentensensibler Tuberkulose weiter verbessern können.

Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und das LMU Universitätsklinikum München, eine Mitgliedseinrichtung des DZIF, spielen eine zentrale Rolle im UNITE4TB-Konsortium. Das Klinikum der LMU München ist der Sponsor einer der beiden klinischen UNITE4TB-Studien, DECISION (BTZ-043 Dose Evaluation in CombInation and SelectION), die von der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der LMU München koordiniert und betreut wird. DECISION (UNITE4TB-02) ist eine Phase-IIb-Dosisfindungsstudie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit verschiedener BTZ-043-Dosierungen in Kombination mit Bedaquilin und Delamanid bei Teilnehmern mit arzneimittelsensitiver Tuberkulose verglichen wird. 

Die Therapieregime, die innerhalb von UNITE4TB erforscht werden, wurden durch die Kombination der neuartigen Wirkstoffe BTZ-043 und GSK656 mit den zuletzt zugelassenen Arzneimittelklassen Diarylchinolin (Bedaquilin) und Nitroimidazole (Delamanid oder Pretonamid) entwickelt. Neben der DECISION-Studie umfasst das UNITE4TB-Studienprogramm auch PARADIGM4TB, eine Phase-IIB/C-Plattformstudie zur klinischen Bewertung verschiedener Behandlungsschemata und -dauern bei Lungentuberkulose. Im Rahmen von PARADIGM4TB soll getestet werden, welches vierte Medikament (entweder Moxifloxacin, Linezolid oder Pyrazinamid) als optimale Komponente zu einem Bedaquilin-, Delamanid-, BTZ-043- oder GSK656-Schema hinzugefügt werden kann. In der Studie wird auch die Wirksamkeit einer völlig neuen Kombination von BTZ-043 und GSK656 zusammen mit Bedaquilin und Delamanid untersucht.

Über BTZ-043

Der Wirkstoff BTZ-043 ist seit Jahrzehnten das erste in Deutschland entwickelte Antibiotikum. Er wurde von Forschenden des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Jena entdeckt. Seit 2014 haben sich das Leibniz-HKI und das Tropeninstitut am LMU Klinikum München in einer Forschungskooperation zusammengeschlossen, um die präklinische Weiterentwicklung des Wirkstoffs zu fördern. „Der Wirkstoff gehört zu einer neuen Klasse von Antibiotika. Sie hemmt ein Enzym in den Tuberkulose-Erregern, das zum Aufbau der Bakterienzellwand benötigt wird“, sagt Professor Axel Brakhage, Direktor des Leibniz-HKI in Jena. „Diese Hemmung bewirkt eine Auflösung der Zelle und letztlich das Absterben des Erregers.“

Bis zum Abschluss der zweiten Phase der klinischen Entwicklung wird das Projekt rund 60 Millionen Euro gekostet haben. Rund 50 Prozent stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierfür entweder direkt oder durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zur Verfügung. Weitere Mittel werden durch die europäisch-afrikanische „European & Developing Countries Clinical Trials Partnership“ (EDCTP), die europäische „Innovative Medicines Initiative“ (IMI), das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie den Freistaat Thüringen bereitgestellt.

Expertenstimmen

Der wissenschaftliche Leiter der UNITE4TB-Studie, Prof. Dr. med. Michael Hoelscher, Direktor der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München und Koordinator des Forschungsbereichs Tuberkulose im DZIF, erklärt zum Studiendesign: "Es gibt drei wichtige Schritte bei der Entwicklung von Tuberkuloseregimen: die Ermittlung der optimalen Dosis für jedes einzelne Medikament, die Identifizierung der richtigen Kombination von vier verschiedenen Medikamenten und die kürzest mögliche Behandlungsdauer des Regimes der Wahl. In UNITE4TB erforschen wir diese Aspekte mit einem möglichst effizienten Studiendesign."

Der südafrikanische Versuchsstandort am klinischen Forschungsinstitut TASK, an dem der erste Teilnehmende der UNITE4TB-Studie eingeschlossen wurde, ist einer von mehreren für das Projekt ausgewählten Standorten. Die Standorte wurden aufgrund der Tuberkulose-Prävalenz ausgewählt. Weitere Studienorte sind u.a. Tansania, Uganda, Vietnam und die Philippinen.

Prof. Andreas Diacon, Chairman und CSO von TASK und CEO von TASK Europe, sagte: "Bei TASK führen wir alle Phasen klinischer Studien durch, von den ersten Versuchen am Menschen bis hin zur Lizenzvergabe. Wir freuen uns sehr über den Start des klinischen Studienprogramms UNITE4TB hier in Kapstadt und sind stolz darauf, Teil dieses wichtigen klinischen Forschungsprojekts zu sein."

Prof. Martin Boeree, UNITE4TB-Projektkoordinator vom Radboudumc, kommentierte zum Studienstart: "Heute ist ein besonderer Moment für die TB-Forschung. Die Welt benötigt neue Medikamente gegen Tuberkulose, aber auch neue Wege zur Durchführung klinischer Studien. Unsere Kooperation akademischer und privatwirtschaftlicher Partner setzt in dieser Hinsicht einen neuen Standard. Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es ein neues, kürzeres Behandlungsregime hervorbringen, das zur Bekämpfung aller Arten von Tuberkulose eingesetzt werden kann." 

Weitere Einzelheiten zu den klinischen Studien entnehmen Sie bitte der Pressemitteilung des UNITE4TB-Konsortiums (in Englisch). Ein englischsprachiges Video über das UNITE4TB-Phase-IIb/c-Programm für klinische Studien finden Sie hier.

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