Prävention der Tuberkulose: Wann sollten Kontaktpersonen vorbeugend behandelt werden?
In einer großangelegten Studie untersuchten Forschende eines internationalen Konsortiums mehr als 25.000 Publikationen der letzten 20 Jahre. Sie prüften, unter welchen Umständen Kontaktpersonen von Tuberkulose (TB)-Erkrankten davon profitieren, eine präventive Antibiotikatherapie zu erhalten, damit sie selber nicht erkranken. Das Ergebnis zeigte, dass die wirksame Strategie abhängig von den TB-Inzidenzen des Landes ist: Bei niedriger Inzidenz ist es sinnvoll, nur diejenigen Kontaktpersonen präventiv zu behandeln, bei denen ein Hauttest oder ein Bluttest Anhaltspunkte für einen Kontakt zu Tuberkulosebakterien ergibt. In Hochinzidenzländern sollten alle engen Kontaktpersonen von Tuberkulosekranken präventiv behandelt werden, wenn keine Tests zur Verfügung stehen.
Mycobacterium tuberculosis, der Erreger der Tuberkulose, wird über Tröpfchen von Mensch zu Mensch übertragen. An einer Lungentuberkulose erkrankte Personen scheiden die Erreger beim Husten und Niesen aus, diese können dann von Kontaktpersonen eingeatmet werden. Um die Ausbreitung der Tuberkulose zu verhindern, ist es neben der umgehenden Isolierung und Behandlung der Erkrankten ebenfalls wichtig, enge Kontaktpersonen im Umfeld des Erkrankten zu identifizieren und zu untersuchen.
Ob man sich bereits mit Tuberkulosebakterien angesteckt hat, kann mit speziellen Immuntests nachgewiesen werden. Diese Tests können die Infektion selber nicht nachweisen, sondern geben indirekt darüber Auskunft, ob im Körper Abwehrzellen gebildet worden sind, die sich gegen Tuberkulosebakterien oder einzelne Bestandteile der Tuberkulosebakterien richten. Die am häufigsten verwendeten Tests sind der Tuberkulin-Hauttest und die sogenannten Interferon-Gamma Release Assays (IGRA).
Besteht der Verdacht, dass man sich als enge Kontaktperson angesteckt hat oder ist ein Immuntest positiv, kann eine präventive Therapie eingeleitet werden. Diese prophylaktische Antibiotika-Gabe kann bei der Vorbeugung einer Erkrankung sehr nützlich sein – aufgrund der Dauer und den Nebenwirkungen ist der Einsatz jedoch nicht immer sinnvoll. Man geht davon aus, dass jeder vierte Mensch weltweit den TB-Erreger in sich trägt ohne daran zu erkranken. Zu den Risikogruppen für die Entwicklung einer aktiven Lungentuberkulose gehören vor allem kleine Kinder, immungeschwächte Personen und Personen aus Ländern, in denen die Tuberkulose häufig vorkommt.
Um die Wirksamkeit einer präventiven Tuberkulosebehandlung bei exponierten Personen unterschiedlichen Alters und Infektionsstatus mit Mycobacterium tuberculosis – unter Berücksichtigung der Tuberkulosebelastung der Umgebung – zu evaluieren, analysierte nun ein internationales Forschungsteam um Prof. Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, über 25.000 Publikationen zu Studien der letzten 20 Jahre, die insgesamt 430.000 von Tuberkulose betroffene Personen einschlossen. In der Studie wurde ebenfalls berücksichtigt, wie viele Kontaktpersonen behandelt werden mussten, um eine Erkrankung zu verhindern. Die Studie wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht.
„Wir wollten durch diese Arbeit belastbare Daten erhalten, welche Personen am meisten von einer präventiven Tuberkulosebehandlung profitieren und ob sich dieser Nutzen in Ländern mit hoher und niedriger Exposition der Bevölkerung gegenüber Tuberkulosebakterien unterscheidet“, erläutert Prof. Lange, Senior-Autor der Studie und Wissenschaftler im Forschungsbereich „Tuberkulose“ des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).
„Das Ergebnis ist eindeutig!“, so das Fazit von Christoph Lange. „In Ländern mit niedriger Inzidenz muss man testen und sollte nur diejenigen Kontaktpersonen behandeln, die ein positives Testergebnis haben. Hier haben wir in den letzten Jahren zeigen können, dass die Bluttests das Risiko für die Tuberkulose besser darstellen als der Hauttest. Beide Testtypen sind allerdings nicht sonderlich gut darin, das zukünftige Risiko für die Entwicklung einer Tuberkulose vorherzusagen. Anders sieht es in Hochinzidenzländern aus. Dort macht es keinen Unterschied, ob das Testergebnis – egal ob Bluttest oder Hauttest - positiv ist, oder nicht, man sollte alle Kontaktpersonen behandeln.“
„Da die präventive Antibiotikatherapie sehr wirksam ist, sollte man sie vor allem in Hochinzidenzländern viel mehr einsetzen“, stellt Prof. Lange fest. „Solange wir keine bessere Impfung zum Schutz vor der Tuberkulose haben, ist die präventive Antibiotikatherapie von Kontaktpersonen eine der wirksamsten Maßnahmen, um die Ausbreitung der Tuberkulose zu verhindern“.
Quelle: Pressemitteilung des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum