Wie das Darmmikrobiom auf Antibiotika reagiert

Illustration verschiedener Komponenten der beschriebenen Mikrobiomforschung: keimfrei gehaltene Maus als Tiermodell, Agarplatten mit Kulturen aus dem Darm isolierter Bakterien und Antibiotikateststreifen und -plättchen, sowie die schematische Darstellung eines DNA-Sequenz-Vergleichs.

© MvP-LMU/Bärbel Stecher

Antibiotika beeinflussen Zusammensetzung und Dynamik des Darmmikrobioms. Die Behandlung mit Antibiotika führt nicht nur zu einem Verlust der Artenvielfalt von Mikroorganismen, sondern begünstigt häufig auch die Selektion resistenter Bakterienstämme. Unklar war bislang, wie sich das Mikrobiom bei einer wiederholten Antibiotikatherapie verhält. In einer präklinischen Studie hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung zweier DZIF-Wissenschaftlerinnen mittels Metagenom- und Kultivierungsanalysen evolutionäre Mechanismen identifiziert, die nach wiederholter Antibiotikagabe zur Resilienz der mikrobiellen Gemeinschaft beitragen. Die Studie erschien jetzt im renommierten Wissenschaftsjournal Cell Host & Microbe.

Das Darmmikrobiom eines jeden Menschen enthält eine bestimmte Gemeinschaft von Mikroorganismen, die normalerweise über Jahre hinweg stabil bleibt. Sie kann jedoch durch Faktoren wie Ernährungsumstellungen, Infektionen oder Medikamente aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Insbesondere Antibiotika haben einen starken Einfluss auf das Mikrobiom. Dagegen setzen Mikroorganismen verschiedene Resistenzmechanismen ein, wobei sich einzelne Bakterienpopulationen durch Selektion antibiotikaresistenter Varianten evolutionär weiterentwickeln. Das Ausmaß und die Mechanismen dieser Prozesse sowie ihre Auswirkungen auf die Ökologie der mikrobiellen Gemeinschaft sind jedoch nur unzureichend erforscht.

In einer umfangreichen metagenomischen Studie untersuchten nun die DZIF-Wissenschaftlerinnen Prof. Bärbel Stecher und Prof. Alice McHardy zusammen mit einem internationalen Forschungsteam die Evolution von Darmbakterien, die wiederholten Störungen durch Antibiotika ausgesetzt waren. Dazu verwendeten sie ein gnotobiotisches Mausmodell, d.h. keimfrei gehaltene Mäuse, welche stabil mit einem bekannten Bakterienkonsortium besiedelt waren. Dieses Modell erlaubt evolutionäre Studien einzelner Mitglieder der Gemeinschaft im natürlichen Wirt unter genau definierten und kontrollierbaren Bedingungen. Die Forschenden analysierten dann über einen Zeitraum von 80 Tagen die Effekte verschiedener Antibiotikaklassen auf das Mikrobiom. Mittels Metagenomanalysen verfolgten sie die Selektion von mutmaßlich Antibiotikaresistenz-fördernden Mutationen in den Bakterienpopulationen und analysierten im Nachgang die Eigenschaften von evolvierten Bakterienklonen, die aus den Gemeinschaften isoliert wurden.

„Wir konnten nachverfolgen, wie eine wiederholte Antibiotikatherapie zur Selektion Antibiotika-resistenter Kommensalbakterien führt. Dies erhöht nach einer Weile die Resilienz der mikrobiellen Gemeinschaft gegenüber bestimmten Antibiotika wie den Tetracyclinen. Neben Adaptation des Mikrobioms durch die Evolution einzelner Mikroorganismen fanden wir zudem Hinweise auf Resistenzentwicklung einzelner Bakterien durch Verlangsamung des Zellwachstums. Das Mikrobiom passt sich sozusagen an die Behandlung an und kann ihr besser standhalten“, sagt Prof. Bärbel Stecher, Koordinatorin des Forschungsbereichs Gastrointestinale Infektionen im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und Professorin für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Zudem beobachtete das Forschungsteam eine Induktion von Prophagen, ausgelöst durch die Behandlung mit bestimmten Antibiotika. Dabei werden Bakteriophagen, deren Genome in Bakteriengenome integriert in bakteriellen Zellen vorliegen, aktiviert. Diese vermehren sich dann und lysieren die Wirtszellen bei der Freisetzung neuer Virenpartikel. „Dies ist ein Beispiel, wie Antibiotika das Überleben von Bakterien auch indirekt beeinträchtigen können“, sagt Dr. Philipp Münch, Erstautor der Studie.

Insgesamt zeigt die Studie eine immense Vielfalt in der Antwort des Mikrobioms auf Antibiotikabehandlungen. Hierzu zählen beispielsweise auch ökologische Effekte wie die Hemmung eines Mikroorganismus durch die Eliminierung eines wichtigen „Partner“-Bakteriums im metabolischen Netzwerk das Darmökosystems.

„Aufgrund dieser hohen Komplexität von direkten und indirekten Reaktionen ist es selbst in gnotobiotischen Tiermodellen mit einer definierten Gemeinschaft an Mikroorganismen schwer vorherzusagen, welche Arten von der Behandlung mit einem Antibiotikum betroffen sein werden“, resümiert Prof. Alice McHardy, Co-Koordinatorin Bioinformatik und Maschinelles Lernen im DZIF und Leiterin der Abteilung Bioinformatik der Infektionsforschung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, einer Mitgliedseinrichtung des DZIF.

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