Wie Viruserkrankungen chronisch werden können
Die meisten Viruserkrankungen verlaufen akut und nach der Genesung ist der Erkrankte dauerhaft gegen das Virus geschützt. Manche Viren, wie zum Beispiel das HI-Virus, verursachen eine chronische Infektion. Wissenschaftler am DZIF-Standort Köln-Bonn sowie der TU München haben nun einen Immunfaktor identifiziert, der für den chronischen Verlauf mit verantwortlich ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Immunology veröffentlicht.
Das HI-Virus ist ein typischer Erreger für eine chronische Infektion, die unbehandelt zur Immunschwächeerkrankung AIDS führt. Dabei attackiert das Virus gezielt die sogenannten T-Helferzellen des Immunsystems. Dies hat zur Folge, dass die Immunantwort nicht ausreicht, um den Erreger wieder loszuwerden.
Viele T-Helferzellen werden jedoch gar nicht von dem Virus befallen. Dennoch ist ihre Funktion bei einer HIV-Infektion gestört. Sie bleiben stumm und setzen nicht, wie normalerweise üblich, weitere Abwehrzellen in Gang. Doch woran liegt das?
Die Wissenschaftler der Universitätskliniken Köln und Bonn konnten zeigen, dass die Abwehrfunktion der T-Helferzellen durch eine Vielzahl von Signalen unterbunden wird. Die unterschiedlichen Signalwege wiederum werden augenscheinlich durch ein einzelnes Molekül gesteuert – den so genannten Tumornekrosefaktor (TNF).
Dass dieser Faktor tatsächlich für die schwache Immunantwort verantwortlich zu sein scheint, wurde durch die Bonner Kollegen schließlich im Tiermodell bewiesen. Sie haben bei Mäusen, die an einer der HIV-Infektion ähnlichen chronischen Virusinfektion litten, das TNF-Molekül inaktiviert. Die T-Helferzellen arbeiteten daraufhin wieder normal. Nach zehn Tagen hatten die Tiere das Virus komplett eliminiert: sie waren wieder gesund.
Die Ergebnisse eröffnen mittelfristig möglicherweise neue Therapie-Optionen. So gibt es Medikamente, welche die Wirkung von TNF unterbinden. Diese TNF-Blocker kommen beispielsweise bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten wie Rheuma zum Einsatz. Sie sollen verhindern, dass Abwehrzellen den eigenen Körper attackieren. Ob TNF-Inhibition tatsächlich auch bei chronischen Virusinfektionen therapeutisch genutzt werden kann, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.