Blockierung der Zellwandbildung durch Antibiotika stoppt bakterielle Zellteilung
Der Prozess der bakteriellen Zellteilung unter dem Mikroskop: Das rot fluoreszierende Zellteilungsprotein FtsZ baut den sogenannten Z-Ring im Zentrum der Staphylococcus aureus Zelle auf.
Noch immer verstehen wir nicht genau, wie Antibiotika Bakterien abtöten. Dieses Verständnis ist jedoch erforderlich, wenn wir neue Antibiotika entwickeln wollen. Und genau das ist dringend notwendig, denn Bakterien zeigen derzeit immer mehr Resistenzen gegen existierende Antibiotika. Daher beobachteten Forschende des Universitätsklinikums Bonn, der Universität Bonn und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) mit Hilfe von Hochleistungs-Mikroskopen den Effekt verschiedener Antibiotika auf die Zellteilung von Staphylococcus aureus. Dabei fanden sie heraus, dass die Biosynthese von Peptidoglykan – Kernbestandteil der bakteriellen Zellwand – die treibende Kraft während des gesamten Prozesses der Zellteilung ist. Zudem klärten sie auf, wie genau unterschiedliche Antibiotika innerhalb von wenigen Minuten die Zellteilung blockieren. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
Die bakterielle Zellwand erhält die Form und Unversehrtheit der einzelligen Organismen. Die Zellwandsynthese spielt beim Bakterienwachstum eine Schlüsselrolle: das Zellteilungsprotein FtsZ bildet in der Zellmitte den so genannten Z-Ring und leitet so den Teilungsvorgang ein. Dort bildet sich eine neue Zellwand, wofür als Kernkomponente Peptidoglykan hergestellt wird. Durch diese Einschnürung entstehen so zwei identische Tochterzellen.
Leuchtende Proteine in Staphylococcus aureus unter dem Mikroskop
Das Forschungsteam wählte das Bakterium Staphylococcus aureus – eines der gefährlichsten humanpathogenen Bakterien – als Modellorganismus für ihre Untersuchung aus. Im Fokus stand dabei der Einfluss bestimmter Antibiotika, die die Peptidoglykansynthese hemmen können, auf die Zellteilung.
„Wir fanden einen schnellen und starken Effekt von Oxacillin sowie der Glycopeptid-Antibiotika Vancomycin und Telavacin auf die Zellteilung. Das Zellteilungsprotein FtsZ diente hierbei als Marker und wurde von uns beobachtet“, sagt Jan-Samuel Puls, Doktorand am Universitätsklinikums Bonn und Erstautor der Studie.
Dazu wurde FtsZ neben anderen Proteinen fluoreszenzmarkiert. Mithilfe superauflösender Mikroskopie analysierten die Forschenden die Effekte auf einzelne lebende Bakterienzellen im zeitlichen Verlauf. Sie etablierten zudem eine automatisierte Bildanalyse für Mikroskopie-Aufnahmen, die ihnen eine schnelle Analyse aller Zellen in der untersuchten Probe erlaubte.
„Staphylococcus aureus hat einen Durchmesser von nur etwa einem Mikrometer, also dem Tausendstel Teil eines Millimeters. Das macht die Mikroskopie besonders anspruchsvoll“, sagt Dr. Fabian Grein, DZIF-Wissenschaftler und Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Bonn.
Antibiotika-Effekt auf die Zellwand-Biosynthese-Maschinerie hemmt Zellteilung sofort
Entgegen bisheriger Annahmen, dass die Peptidoglykansynthese nur während eines bestimmten Teils des Zellteilungsprozesses essentiell ist, fand das Bonner Forschungsteam heraus, dass die Bildung von Peptidoglykan den gesamten Prozess antreibt. Das Team zeigte, dass die Hemmung des Zellwandaufbaus durch Glykopeptid-Antibiotika in Staphylococcus aureus schnell und mit einem drastischen Effekt auf die Zellteilung erfolgt. Zudem klärten sie die spezielle Rolle des essentiellen Penicillin-bindenden Proteins 2 (PBP2), das die Zellwandkomponenten miteinander verknüpft, für die Zellteilung im Detail auf. Das β-Laktam-Antibiotikum Oxacillin verhindert die korrekte Lokalisierung dieses Proteins.
„Das bedeutet, dass PBP2 nicht an die Stelle gelangt, wo es gebraucht wird. Die Folge ist, dass die Zelle sich nicht teilen kann“, sagt Grein. „Wichtig ist, dass dies alles unmittelbar nach Zugabe der Antibiotika passiert. Entscheidend sind also die ersten zellulären Effekte, die bislang nicht besonders intensiv untersucht wurden.“
Mit Blick auf die alarmierende Zunahme von Antibiotika-Resistenzen weltweit erhofft er sich durch die Studien-Ergebnisse ein besseres Verständnis dafür, wie genau diese Wirkstoffe auf zellulärer Ebene funktionieren, und damit einen Schlüssel für die Entwicklung neuer Antibiotika.
Quelle: Pressemitteilung Uniklinik Bonn