Natürliche Wirkstoffe im Einsatz gegen armutsbedingte Krankheiten
Das DZIF fördert modernste Produktionsverfahren für mikrobielle Wirkstoffkandidaten im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Arzneimittel gegen Malaria, Tuberkulose, HIV und andere Infektionskrankheiten werden nach wie vor besonders in ärmeren Ländern dringend benötigt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind im vergangenen Jahr fast 430.000 Menschen allein an Malaria gestorben. Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts „AntiMalariaDrug“ entwickeln DZIF-Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig die biotechnologische Produktion neuer natürlicher Wirkstoffe zum Einsatz gegen Malaria und andere armutsbedingte Krankheiten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit 780.000 Euro im Rahmen der Sondermaßnahme „Vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten“. Zudem werden über das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) mehrere Bioreaktoren am HZI für das Projekt mit einer Fördersumme von 325.000 Euro finanziert.
Armut begünstigt das Auftreten von Krankheiten, ganz besonders das von Infektionskrankheiten. Die WHO schätzt, dass weltweit fast 1,5 Milliarden Menschen an Armuts-assoziierten Krankheiten leiden. Zu ihnen gehören auch solche Erkrankungen, die hierzulande meist mit modernen Medikamenten heilbar oder zumindest behandelbar sind, wie Malaria, Tuberkulose oder AIDS.
„Der Suche nach neuen antibiotischen Medikamenten wird aber in der Industrie nicht mehr der gleiche hohe Stellenwert beigemessen wie noch vor 20 Jahren“, sagt Prof. Marc Stadler, Leiter der Abteilung „Mikrobielle Wirkstoffe“ am HZI. „Die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Tuberkulose und andere bakterielle Krankheiten, die vor allem in den Tropen eine Rolle spielen, wurde sogar noch weniger vorangetrieben als die Entwicklung der Breitspektrum-Antibiotika oder von Wirkstoffen gegen multiresistente Krankenhauskeime. Sehr viele Stämme von Mycobacterium tuberculosis sind daher gegen den Standard-Wirkstoff Rifampicin resistent oder tragen sogar multiple Resistenzgene.“
Mit der Förderung von BMBF und DZIF erweitern Stadler und sein Team am HZI eine hochmoderne Produktionsplattform für mikrobielle Wirkstoffkandidaten. „Durch internationale Kooperationsprojekte haben wir Zugang zu vielen mikrobiellen und pilzlichen Naturstoffen. Dabei reicht es jedoch nicht aus, potenzielle Wirkstoffkandidaten zu identifizieren“, erklärt Stadler. „Man braucht die Wirkstoffe auch in ausreichender Menge und Qualität. Dazu müssen wir sie biotechnologisch oder chemisch aufarbeiten und in Multi-Gramm-Mengen bereitstellen – für die präklinische Entwicklung ist fast ein Pfund erforderlich.“ Nur dann lassen sich auch die nachfolgenden Schritte auf dem Weg zur Medikamentenentwicklung durchführen. Damit das zukünftig gelingt, werden die Fördergelder überwiegend in neue Bioreaktoren – Geräte, mit denen potenzielle Wirkstoffe isoliert werden können – investiert.
Die neuen Bioreaktoren erlauben es den Wissenschaftlern, neben neuen Wirkstoffkandidaten auch bereits bekannte in größeren Mengen zu isolieren und weiterzuentwickeln. Der Wirkstoff Chlorotonil beispielsweise hat in einem vorherigen Projekt im Tierversuch bei oraler Gabe eine Wirkung gegen Malaria gezeigt. „Dank der neuen Fermenter können wir an diese Ergebnisse nun gezielt anknüpfen und die Menge des Wirkstoffes erhöhen“, sagt Stadler. „Wir haben bereits ein Verfahren entwickelt, um die Stoffe im Multi-Gramm-Maßstab zu produzieren, welches nur noch auf einen größeren Produktionsprozess übertragen werden muss. Das Projekt läuft seit Januar 2016 sehr erfolgreich in Kooperation mit der Universität Tübingen im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung.“