Neuer Biomarker zur Vorhersage von Nebenwirkungen der Therapie multiresistenter Tuberkulose

Jedes Jahr erkranken weltweit schätzungsweise 410.000 Menschen an einer multiresistenten Form der Tuberkulose. In der Behandlung mit Linezolid, einem Antibiotikum, das unter anderem gegen multiresistente Tuberkuloseerreger eingesetzt wird, kommt es bei rund einem Viertel der Patientinnen und Patienten zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen, unter anderem bestimmte Nervenerkrankungen. Diese können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, die Therapieadhärenz schwächen und damit den Behandlungserfolg gefährden. Forschende am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickelten nun erstmals einen Biomarker, der es ermöglicht, das Auftreten von Nervenerkrankungen während der Therapie einer multiresistenten Tuberkulose abzuschätzen.

Menschen, die an einer multiresistenten Form der Tuberkulose leiden, werden häufig mit Linezolid behandelt – einem Antibiotikum zur Behandlung von Infektionen, die durch multiresistente grampositive Bakterien wie Mycobacterium tuberculosis verursacht werden. Bei rund einem Viertel der Patient:innen führt die Behandlung zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), unter anderem Nervenerkrankungen wie periphere Neuropathien und Optikusneuropathien, die Nerven außerhalb des zentralen Nervensystems und den Sehnerv betreffen. Diese können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, die Therapieadhärenz – also das Befolgen von Therapieanweisungen durch die Patient:innen – schwächen und damit den Behandlungserfolg gefährden. 

Bislang sind die zugrundeliegenden Mechanismen von Linezolid-assoziierten UAW nicht vollumfänglich bekannt. In der Arbeit, die kürzlich in der Fachzeitschrift Pathogens & Immunity veröffentlicht wurde, untersuchten die Forschenden, ob das Risiko von Linezolid-assoziierten Neuropathien bereits vor Therapiebeginn mittels sogenannter Transkriptomanalysen ersichtlich ist und vorhergesagt werden kann. Mit dem Begriff Transkriptom bezeichnet man die Summe der Ribonukleinsäuren (RNAs), die im Kern von Zellen als Kopien aktiver Gene erstellt werden. Diese RNA-Moleküle geben als mobile Einheiten die Information der Gene an andere Stellen der Zellen weiter. Ihre Information wird in Ketten von Aminosäuren – sogenannte Peptide und Proteine – umgeschrieben, die wiederum Strukturen und Steuerelemente im Zellstoffwechsel bilden. Werden Gene angeschaltet oder abgeschaltet, entstehen mehr oder weniger RNA-Kopien. Mit molekularen Methoden lässt sich die Anzahl der RNA-Kopien jedes der rund 50.000 Gene im Kern jeder Zelle im Blut eines Menschen messen und daraus ableiten, ob Stoffwechselwege ein- oder ausgeschaltet sind.

Dr. Maja Reimann vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB) ist Expertin auf dem Gebiet, diese Informationen der Zellen auszulesen, sie zu verarbeiten und mit mathematischen Verfahren und Modellen auf wenige Informationseinheiten zu reduzieren. So entwickelt sie Biomarker, um klinische Ereignisse vorhersagen. In einem Team von Forschenden, Ärztinnen und Ärzten hat sie gemeinsam mit Nika Zielinski, Doktorandin in der Gruppe Klinische Infektiologie am FZB, einen Biomarker entdeckt, der das zukünftige Auftreten von einer schweren Nebenwirkung der Tuberkulosetherapie mit Linezolid vorhersagen kann.

Hierzu wurden Daten von Tuberkulosepatient:innen ausgewertet, die im Rahmen von Studien des DZIF von dem Borsteler Team seit 2015 erhoben wurden. Neben der systembiologischen Bestimmung von Genen und Stoffwechselwegen, die bereits vor dem Therapiestart bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Linezolid-assoziierten Neuropathien signifikant hoch- oder runterreguliert waren, wurde ein „machine learning“ Algorithmus entwickelt. 

Dabei wurde das Molekül Suprabasin als Biomarker für die Vorhersage der Nervenerkrankungen identifiziert. Das Team untersuchte anschließend den Biomarker in einer unabhängigen Gruppe von Tuberkulose-Erkrankten. Auch in dieser Kohorte konnte das Auftreten der Nebenwirkungen durch Suprabasin vorhergesagt werden. 

„Die Genauigkeit für die Vorhersage von Neuropathien unter einer Tuberkulosetherapie mit Linezolid mittels des Biomarkers Suprabasin ist nicht überragend, es ist aber der erste Biomarker überhaupt, mit dem man das Risiko abschätzen kann, diese Nebenwirkungen unter einer Therapie zu entwickeln“, sagt Nika Zielinski, die Erstautorin der Studie.

Quelle: Pressemitteilung des Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum

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