Tuberkulose: Wann kann man eine Behandlung mit Erfolg beenden?
Die Behandlung der Tuberkulose (TB) ist lang, belastend und teuer. Insbesondere das Auftreten von resistenten Tuberkulosebakterien, das immer mehr zunimmt, erfordert einen langen Atem: Die WHO empfiehlt in diesen Fällen meist pauschal eine Therapiedauer von mindestens 18 Monaten, da es keine zuverlässigen Biomarker für einen vorzeitigen Stopp gibt. Unter der Leitung von DZIF-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Forschungszentrum Borstel ist es nun nach sechs Jahren Forschungsarbeit gelungen, einen Biomarker zu identifizieren, der über die Aktivität von 22 Genen individuell ein Therapieende anzeigt. In vielen Fällen kann damit wahrscheinlich die Behandlung gefahrlos verkürzt werden.
Wann kann man eine Tuberkulosetherapie gefahrlos stoppen, ohne einen Rückfall zu riskieren? Vor dieser Frage stehen die Mediziner immer wieder aufs Neue, denn der fehlende Nachweis des Tuberkuloseerregers Mycobacterium tuberculosis ist keine Gewähr für eine dauerhafte Heilung der Lungeninfektion. Patientinnen oder Patienten, bei denen die Standardtherapie anschlägt, können unter Umständen nach sechs Monaten austherapiert sein. Doch für resistente Fälle werden derzeit mehr als 18 Monate Behandlungsdauer geraten. „Das ist eine sehr lange Zeit für die Betroffenen, die oft mehr als vier Antibiotika täglich einnehmen müssen und unter Nebenwirkungen leiden“, erklärt Prof. Dr. Christoph Lange, Klinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel und Leiter der Studie, die im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) durchgeführt wurde. „Wir benötigen dringend einen Biomarker, der die Umsetzung einer individuellen Therapiedauer ermöglicht“, betont er. Denn längst nicht jeder Patient brauche eine so lange Zeit bis zur Gesundung.
Da das Fehlen der Bakterien im Sputum keinen sicheren Therapiestopp rechtfertigt, machte sich das Team um Christoph Lange auf die Suche nach alternativen Biomarkern im Patienten. Gemeinsam mit internationalen Tuberkulosezentren konnte anhand von Patientenkohorten ein Modell für das Therapieende entwickelt werden, das auf einer RNA-Bestimmung im Blut beruht. Es konnten aus vielen Tausend Genen 22 identifiziert werden, deren Aktivität mit dem Krankheitsverlauf korreliert. „Die Produktion der RNA dieser 22 Gene im menschlichen Blut kann uns darüber Aufschluss geben, ob der Patient geheilt ist“, bringt es PD Dr. Jan Heyckendorf vom FZ Borstel auf den Punkt. Gemeinsam mit Maja Reimann und Dr. Sebastian Marwitz zeichnet er als Erstautor für die Studie verantwortlich. „Es ist eine RNA-Signatur aus 22 Genen, die an zwei Kohorten identifiziert wurde und an weiteren drei Kohorten validiert wurde“, ergänzt der Wissenschaftler. Kein anderer publizierter Transkriptom-Marker zeige bislang vergleichbare Eigenschaften.
Für die Identifizierung dieses individuellen Biomarkers haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb des DZIF fünf unterschiedliche Patientenkohorten aufgebaut. Dabei handelte es sich in allen Fällen um Erwachsene, die an Lungentuberkulose erkrankt waren, zum Teil an nicht-resistenten, z. T. an resistenten Formen. Neben Kohorten in Deutschland waren auch Patienten in Bukarest (Rumänien) eingeschlossen, wo das DZIF ein Studienzentrum unterstützt.
„Die Individualisierung der Therapiedauer ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Präzisionsmedizin bei der Tuberkulose“, bekräftigt Christoph Lange. Sogar ohne Verlaufswerte könne man bei einem Patienten anhand dieser RNA-Bestimmung ein Ende der Therapie wagen. Als nächsten Schritt planen die Forscher eine prospektive Studie im DZIF. Dabei sollen Patientinnen und Patienten in dem einen Studienarm die Therapie so lange bekommen, wie der Biomarker es vorschlägt, Patienten in dem anderen Arm erhalten die Therapie so lange, wie es das nationale Tuberkuloseprogramm empfiehlt. Die Wissenschaftler wollen dann schauen, ob der Biomarker eine kürzere Behandlungsdauer möglich macht. Das Team um Christoph Lange ist zuversichtlich. „Es ist dann hoffentlich möglich, dass Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose im Durchschnitt circa ein Drittel der Therapie einsparen können“, so Lange.