Immunsteuerung bei HIV-1
Das menschliche Immunsystem ist in der Lage, virale Infektionen effektiv zu verhindern und zu kontrollieren. Während viele Viren neutralisiert und vollständig eliminiert werden können, verbleiben andere Viren nach der Infektion im Körper. Sie werden jedoch oft über die gesamte menschliche Lebensspanne hinweg kontrolliert. Dies ist unter anderem bei bestimmten Herpesviren (z. B. Zytomegalievirus (CMV)) der Fall. Bei immungeschwächten Personen zeigt sich, wie kritisch eine abgeschwächte Immunantwort ist: Latente und eigentlich kontrollierte Viren können in dieser Personengruppe schwere und potenziell tödliche Krankheiten verursachen. Bei einer HIV-1-Infektion ist die Immunantwort in der Regel nicht ausreichend, um die Virusreplikation vollständig zu unterdrücken, was zu einem kontinuierlichen Fortschreiten der HIV-Erkrankung führt. Es gibt jedoch seltene Fälle von Patienten – im Englischen auch „Elite Controller“ genannt – die das Vorkommen von HIV-1-Viren in der Blutbahn (Virämie) bereits früh nach der Infektion oder nach Absetzen einer wirksamen antiretroviralen Therapie (ART) kontinuierlich kontrollieren.
Menschen, die nach einer Therapieunterbrechung die Virusvermehrung dauerhaft kontrollieren können, werden als „Post-Treatment-Controller“ (PTC) bezeichnet. Beispiele von PTC haben in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Sie zeigen, dass eine Intervention wie die Behandlung mit ART, zu einer langfristigen HIV-1-Kontrolle und funktionellen Heilung führen kann.
Obwohl PTC selten sind, ist deren Auftreten ein Indiz dafür, dass offenbar körpereigene Strategien existieren, die die HIV-1-Kontrolle verbessern. Zum Beispiel scheint bei nicht-menschlichen Primaten (NHPs) eine frühe Behandlung mit breit neutralisierenden Antikörpern (bNAbs) die Induktion einer effektiven CD8+ T-Zell-Antwort zu unterstützen, die die Virämie vollständig unterdrückt. Wir gehen davon aus, dass das Immunsystem ein hochwirksames Rüstzeug bereitstellt, das jedoch spezifisch induziert oder modifiziert werden muss, um eine HIV-1-Infektion erfolgreich zu kontrollieren und zu verhindern. Es ist unwahrscheinlich, dass dies nur durch die Nutzung eines einzelnen Bereichs der menschlichen Immunantwort (z. B. nur Antikörper oder nur T-Zellen) möglich ist. Vielmehr ist eine konzertierte Aktion mehrerer zellulärer und humoraler Immunfunktionen erforderlich.
Es hat sich vielfach gezeigt, dass die menschliche Immunantwort erfolgreich zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten genutzt werden kann – beispielsweise auch bei der Entwicklung vieler Impfstoffe gegen infektiöse Krankheitserreger. Darüber hinaus eliminieren neuere Antikörper-basierte Krebstherapien bösartige Zellen und können eine adaptive T-Zell-Immunität einleiten. Während die Einführung der Krebs-Immuntherapie die Zahl der Personen erhöht hat, die bösartige Erkrankungen kontrollieren und überleben, steht die immunvermittelte Behandlung und Prävention der HIV-1-Infektion noch am Anfang. Es könnten jedoch ähnliche Prinzipien existieren, um eine vollständige immunvermittelte HIV-1-Kontrolle zu erreichen.
Insgesamt besteht das Projektziel darin, die immunologischen Faktoren und Mechanismen zu verstehen, die eine HIV-1-Infektion und die virale Replikation erfolgreich unterdrücken können. Das verbesserte Verständnis soll genutzt werden, um immunologische Mechanismen bei HIV-1 infizierten Personen erfolgreich einzusetzen oder Personen mit erhöhtem Risiko vor einer Infektion zu schützen. Insbesondere soll das große Potenzial der zellulären und humoralen Immunantwort genutzt werden, um eine nichtmedikamentöse Langzeitkontrolle der HIV-1-Infektion zu erreichen.