Mechanismen der Infektabwehr bei immunsupprimierten Patienten
Patienten nach Organtransplantation müssen in der Regel lebenslang immunsupprimierende Medikamente einnehmen, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. Diese Therapie unterdrückt die physiologische Immunabwehr des Patienten gegenüber Tumoren und Infektionen. Eine optimale Balance zwischen Immunkompetenz und Schutz des transplantierten Organs ist daher therapeutisches Ziel in dieser Patientengruppe. Die Neigung zu Infektionen ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ziel der Wissenschaftler ist es daher, Biomarker zu identifizieren, welche verlässlich das individuelle Risiko der Erkrankung durch opportunistische Erreger und den erneuten Ausbruch von chronischen viralen Infektionen vorhersagen können. Dies können ein rechtzeitiges therapeutisches Eingreifen und gegebenenfalls eine kausale prophylaktische Intervention ermöglichen.
Immunsuppressive Medikamente zum Schutz vor einer Abstoßung eines transplantierten Organs müssen sehr genau dosiert werden. Eine Überdosierung kann mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen, die nicht nur auf die eingeschränkte Immunkompetenz des Wirts beschränkt sind. Daher wird ein sogenanntes pharmakokinetisches Monitoring durchgeführt, bei dem der Arzneimittelspiegel im Blut bestimmt wird, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden. Da die Immunkompetenz eines Menschen äußerst komplex reguliert wird, führt eine Dosierung von Immunsuppressiva allein nach einem einheitlichen (nicht-toxischen) Medikamentenspiegel individuell zu unterschiedlichen Beeinträchtigungen des Immunsystems. Es ist daher erforderlich zu untersuchen, welche Abweichungen in welchen Komponenten des Immunsystems bei transplantierten Patienten verantwortlich für eine pathologische Infektanfälligkeit sind. Dazu wird in einer prospektiven klinischen Studie eine funktionelle Immunphänotypisierung vor und zu verschiedenen Zeitpunkten nach Nierentransplantation durchgeführt. Mehr als 200 verschiedene Populationen von Immunzellen werden im Blut in den Blutgefäßen quantifiziert und ihre Reaktion auf synthetische bakterielle oder virale Komponenten ex vivo untersucht. Diese Daten vergleichen die Wissenschaftler mit klinisch-relevanten infektiösen Ereignissen und werten sie bioinformatisch aus.
Physiologisch läuft die Immunantwort auf ein körperfremdes Transplantat-Antigen ähnlich wie auf eine Virusinfektion. Daher bedeutet eine erfolgreiche Unterdrückung der Abstoßungsreaktion gleichzeitig auch, dass Virusinfektionen schlechter unterdrückt werden. Einige Viren, mit denen eine Vielzahl von Menschen chronisch infiziert ist, die aber keine klinischen Symptome hervorrufen, können nach der Transplantation reaktiviert werden. Dabei kann es und zu ausgeprägten Schädigungen des Transplantats führen, z. B. beim Zytomegalie-Virus (CMV) oder beim humanen Polyoma-Virus 1, andere können zu Tumorerkrankungen führen (Herpes-Viren, Epstein-Barr-Virus). In diesem Projekt wird der CMV-Infektion und -Reaktivierung besondere Priorität zugeschrieben, da dieses Virus sehr häufig bei Spendern symptomlos vorkommt und trotz antiviraler Prophylaxe auf den Transplantatempfänger übertragen wird. Bei vergleichbarer immunsuppressiver Therapie finden diese Ereignisse ungefähr mit einer Inzidenz von 50% statt. Hieraus ergeben sich eine Reihe klinisch-relevanter Fragestellungen:
Können Parameter identifiziert werden, die in einer Hochrisikogruppe (CMV-negativer Empfänger erhält ein Organ eines CMV-positiven Spenders) einen Schutz vor klinisch-manifester CMV-Infektion gewähren?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Art und Intensität der Immunsuppression und CMV-Infektion/Reaktivierung?
Gibt es Möglichkeiten, einen Anti-CMV-Schutz zu erhalten/generieren, ohne das Transplantat zu schädigen?
Kann bei entsprechender Biomarker-Konstellation auf eine Anti-CMV-Prophylaxe verzichtet werden und können damit die assoziierten Nebenwirkungen reduziert werden?