Motilitätsblocker als neuartiger therapeutischer Ansatz gegen verbreitete Darmpathogene
Helicobacter pylori, Campylobacter jejuni und Campylobacter coli gehören zu den am weitesten verbreiteten bakteriellen menschlichen Krankheitserregern und sind weltweit verantwortlich für jährlich hunderttausende Fälle von Durchfallerkrankungen, Darmentzündungen, Magengeschwüren und Magenkrebs. Eine Gruppe von Wissenschaftler:innen um Christine Josenhans an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) entwickelt Pathoblocker, die in der Lage sind, die Fortbewegungsfähigkeit der Bakterien zu hemmen und damit ihre Vermehrung und pathogene Aktivität zu inhibieren.
Helicobacter pylori ist ein wichtiges chronisches bakterielles Pathogen des menschlichen Magens. In vorangegangenen DZIF-Projekten wurden Pathoblocker gegen H. pylori entwickelt, die auf der Inhibition der bakteriellen Motilität beruhen. Das therapeutische Prinzip besteht in der Hemmung der Beweglichkeit der Flagellen – haarähnliche Anhängsel verschiedener Bakterienarten, die wie Propeller die Zellen antreiben und zu ihrer Pathogenität und Kolonisierungseffizienz beitragen. Für eine der Substanzen konnte das Team in einem therapeutischen präklinischen Mausmodell eine starke Reduktion der Vermehrung von H. pylori im Magen beobachten, ohne dass dabei die normale bakterielle Darmflora signifikant geschädigt wurde. „Das wäre ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Antibiotika, die häufig auch die unverzichtbaren „guten“ Darmbakterien dauerhaft angreifen“, erklärt Projektleiterin Prof. Christine Josenhans. Aufgrund der erfolgreichen Testung wurden diese H. pylori-Pathoblocker vor kurzem zum Patent angemeldet.
Zur Bakterienklasse der Proteobakterien, zu der auch Helicobacter spp. gehören, zählen auch Mitglieder der Gattung Campylobacter, einschließlich einiger der weltweit wichtigsten Vertreter der lebensmittelbedingten Durchfallerreger, Campylobacter jejuni und C. coli. Einige Campylobacter Varianten können den Darmtrakt von sowohl Nutztieren als auch Menschen befallen und von Tieren auf Menschen übertragen werden, wo sie akute sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen hervorrufen können.
Antibiotikaresistenzen nehmen derzeit bei diesen und anderen Krankheitserregern des Magen-Darmtrakts stark zu und führten zu ihrer Aufnahme auf die WHO Liste von 12 Bakterienfamilien, die die größte Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Für Campylobacter-Spezies wird stark angenommen, dass sie die meisten Antibiotikaresistenzen schon in der Nahrungsmittelherstellung und in tierischen Wirten in der Tierzucht erwerben und die resistenten Bakterien dann auf den Menschen übertragen werden. Neue antibakterielle Herangehensweisen gegen diese intestinalen Krankheitserreger, insbesondere Campylobacter ssp., sowohl in der Nutztierhaltung als auch im Menschen müssen daher dringend entwickelt werden.
Da die Motilität der Bakterien wesentlich ist für das Überleben dieser Erreger in ihren Wirten, stellt die Hemmung der Beweglichkeit in vivo eine vielversprechende Strategie dar. Der Fokus dieses Projektes liegt daher darauf, neuentdeckte und bei H. pylori bereits etablierte Antivirulenz-Prinzipien der Motilitätsinhibition besser zu verstehen, sowie in der Bekämpfung anderer wichtiger antibiotikaresistenter bakterieller Erreger zu erproben. Parallel wird der Ansatz der Beweglichkeitshemmung von H. pylori mit dem Ziel einer Patenterteilung sowie einer vermarktungsfähigen therapeutischen Anwendung auf der Basis der kürzlich erfolgten Patentanmeldung weiterverfolgt.