Projekt

Nukleosid-Booster-Projekt: Breitband-Virostatika für die Pandemievorsorge

Kurzbeschreibung

Die SARS-CoV-2-Pandemie und andere Epidemien der letzten Jahrzehnte haben deutlich gemacht, dass wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung neu auftretender Infektionskrankheiten rechtzeitig entwickelt werden müssen. Für die meisten neu auftretenden viralen Krankheitserreger gibt es noch keine Impfstoffe oder antiviralen Medikamente. Da sich nur schwer vorhersagen lässt, welches Virus oder welche Virusvariante in Zukunft einen Ausbruch verursachen könnte, werden vor allem Medikamente mit breitem Wirkungsspektrum benötigt.

Um für zukünftige Virusausbrüche besser gewappnet zu sein, arbeiten im Nukleosid-Booster-Projekt DZIF-Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und anderer DZIF-Mitgliedseinrichtungen gemeinsam mit der „Drugs for Neglected Diseases initiative“ (DNDi) an der Identifizierung chemischer Verbindungen, die ein breites antivirales Wirkungsspektrum aufweisen. Diese Anforderung erfüllen die Nukleosidanaloga, die zu den besonders erfolgreichen Wirkstoffen in der antiviralen Therapie zählen. Zu diesen Substanzen, die den natürlichen DNA- und RNA-Bausteinen ähneln, gehören u.a. die Nukleosidinhibitoren, die in der antiviralen Therapie gegen HIV oder HBV eingesetzt werden, sowie das Nukleosidanalogon Remdesivir (siehe Abbildung). Nukleosidanaloga werden während der viralen Genomvervielfältigung in die Genomkopie eingebaut, sind aber chemisch so verändert, dass entweder die Genomreplikation abbricht (wie etwa bei Remdesivir) oder die neu gebildeten Genome enthalten so viele Mutationen, dass sie nicht mehr funktionsfähig sind (wie etwa im Fall von Molnupiravir zur Behandlung der SARS-CoV-2 Infektion). Aufgrund dieser Eigenschaft und der Tatsache, dass Viren nur sehr schwer Resistenzen gegen diese Wirkstoffe entwickeln können, sind Nukleosidanaloga vielversprechende Ausgangssubstanzen für die Entwicklung von Breitspektrum-Virostatika.

Eine Sammlung von Nukleosidanaloga wurde von DNDi, einer Organisation, die leicht zugängliche Arzneimittel für arme Bevölkerungsgruppen entwickeln will, ausgewählt und erworben, um sie im Labor auf antivirale Aktivität zu testen. Die vom DZIF eingerichtete Antiviral Compound Testing Platform (ACTP), die bei mehreren DZIF-Mitgliedern und assoziierten Einrichtungen angesiedelt ist, steht für diese Tests zur Verfügung. ACTP bietet verschiedene In-vitro-Testsysteme auf der Basis von Zelllinien und Primärzellen sowie In-vivo-Testsysteme in Nagetieren. Darüber hinaus umfasst die Plattform eine einzigartige Sammlung hochpathogener Viren, darunter Coronaviren (SARS-CoV, MERS-CoV), Filoviren (Ebola), Bunyaviren (RVFV, CCHF), Flaviviren (ZIKV, DENV, WNV), Grippeviren, Arenaviren (Lassa) und Hantaviren. Darunter befinden sich neun der zehn von der WHO als Erreger prioritärer Krankheiten eingestuften Viren, die das Potenzial haben, Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu verursachen, und gegen die es keine wirksamen Gegenmaßnahmen gibt.

Ziel der Wissenschaftler:innen im Nukleosid-Booster-Projekt ist es nun, mit Hilfe der ACTP-Testplattform diejenigen Nukleosidanaloga in der DNDi-Kollektion Nukleosid-analoger Verbindungen zu identifizieren, die eine möglichst breite antivirale Wirkung zeigen. Diese sollen als potenzielle Leitstrukturen zur Entwicklung von Therapeutika mit einem breiten Wirkungsspektrum dienen.

Wirkungsweise des Nukleosidanalogons Remdesivir am Beispiel von SARS-CoV-2. Das RNA Virusgenom wird bei der Genomvervielfältigung von der viralen Polymerase abgelesen und gemäß der Basenabfolge kopiert. Wird an einer Stelle gegenüber der Base Uracil (U) das Nukleosidanalogon Remdesivir, das das Nukleosid Adenosin (A) imitiert, in die neugebildete Genomkopie eingebaut, kann diese nur um drei weitere Nukleotide verlängert werden. Danach ist die Kettenverlängerung blockiert, weil die Polymerase auf dem zu kopierenden Genom arretiert ist. Deshalb bricht der Kopiervorgang des Genoms ab.

© Universität Heidelberg/H. Kim, R. Bartenschlager